Im Detail
Von den rund 60.000 sog. Zivilpersonen, die in der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs aufgenommen wurden, waren etwas weniger als die Hälfte Juden. Ihnen als der zahlenmässig grössten Gruppe innerhalb aller Opfer der nationalsozialistischen Verfolgungs- und Vernichtungspolitik setzt die Gedenkstätte für jüdische Flüchtlinge in Basel-Riehen einen Stein des Nichtvergessens.
Nach dem Erwerb des 1902 erbauten «Weichenwärterhauses» von der Deutschen Bundesbahn wurde dem Käufer und Initiator dieser Gedenkstätte, dem ehemaligen Pfarrer Johannes Czwalina, bei der Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses bewusst, dass der Weg vieler Flüchtlinge durch Riehen führte. Der ganze Schienenstrang durch Riehen gehörte – obwohl auf Schweizer Boden gelegen – zusammen mit diesem Haus der Deutschen Reichsbahn. Das gab dem Fluchtweg Riehen eine besondere Bedeutung. Am Bahnübergang und auch in der Inzlingerstrasse selbst spielten sich teilweise dramatische Flüchtlingsschicksale ab.
Initiativauslöser, das Bahnhaus zu Gedenkstätte zu machen, war ein Bericht der Brüder Munz, die als Kinder der Bahnwärterfamilien im Bahnhaus wohnten und von ihrem Kinderzimmerfenster aus beobachteten, wie der Schweizer Polizeimannschaftswagen vorbeifuhr, um an der Schweizer Grenze jüdische Flüchtlinge aufzugreifen, die dann an denDeutschen Zoll in Lörrach zurückgefahren wurden. Die aus diesen Erzählungen entstandene persönliche Betroffenheit war die Motivation für die Errichtung einer Gedenkstätte im ehemaligen Bahnwärterhaus. Die Gedenkstätte ist denjenigen jüdischen Flüchtlingen gewidmet, die das Glück hatten, in der Schweiz Aufnahme zu finden.
Besonders erinnert wird aber auch an alle jüdischen Flüchtlinge, denen die Schweiz den Einlass verweigerte. Die Gedenkstätte möchte die historischen Fakten darstellen und die persönliche Verarbeitung der Geschehnisse unterstützen. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Hintergrundinformationen zur Flüchtlingspolitik der Schweiz, authentische Berichte von Zeitzeugen und die Darstellung der besonderen Situation Riehens als Ort an der Grenze.
Besonders eindrucksvoll ist der Stallanbau mit seinen Kunstwerken. Eine kleine Bibliothek und ein Leseraum laden zum Verweilen, Besinnen und zur Vertiefung des Wissens ein. Es werden Veranstaltungen zum Thema und Momente der Begegnung organisiert.
Die Gedenkstätte befindet sich momentan in einer Anbauphase, ist aber dennoch für die Besucher geöffnet. Sie wird künftig mehr Platz für die Besucher bieten. Eine neue wissenschaftlich recherchierte Dauerausstellung ist im Entstehen. Ihre Eröffnung ist für Ende 2015/Anfang 2016 geplant. Zusätzlich sind Sonderausstellungen zu thematischen Schwerpunkten vorgesehen.