Im Detail
Richard Merländer und seine Villa
Der Krefelder Seidenfabrikant und Seidengroßhändler Richard Merländer ließ sich 1924/25 an der Friedrich-Ebert-Straße ein Haus bauen, in dem er seinen Lebensabend verbringen wollte. Da er jüdischer Herkunft war, wurde er jedoch nach 1933 ein Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Er musste seine Firma verkaufen, sein Vermögen abliefern und zuletzt auch sein Haus aufgeben. Richard Merländer wurde 1942 zunächst nach Theresienstadt, dann in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. In Treblinka wurde er ermordet.
Sein Haus, nach der „Entjudung“ als Hotel genutzt, wechselte mehrfach den Besitzer, bis es 1989 durch die Stadt Krefeld angemietet wurde. Nach der (Wieder)Entdeckung von Wandgemälden des expressionistischen Künstlers Heinrich Campendonk in der Villa Merländer und der Feststellung der Geschichte des ursprünglichen Hausbesitzers, wurde 1991 in der Villa Merländer das NS-Dokumentations- und Begegnungszentrum der Stadt Krefeld eingerichtet.
Heinrich Campendonk, ein von den Nationalsozialisten verfemter Künstler
Die Wandbilder Heinrich Campendonks sind wesentlicher Bestandteil des Hauses. In den Gemälden finden sich deutliche Spuren der Zeit, als Campendonk zum inneren Kreis der Künstlergruppe „Der blaue Reiter“ gehörte. Die Themen Varieté bzw. Zirkus und Spiel sind in bunten Farben ausgeführt, ähnlich wie eine Gruppe von drei Katzentieren, die im Zentrum des linken Bildes stehen. Sichtbar ist auch die Auseinandersetzung mit dem Kubismus. Im Gesamtwerk Heinrich Campendonks sind die Merländer-Bilder ein Verbindungsstück zwischen der expressionistischen Blaue-Reiter-Phase und dem Spätwerk des Künstlers.
Als Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf wurde Heinrich Campendonk 1933/34 nach dem „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ entlassen. Er emigrierte in die Niederlande und wurde an die Reichsakademie in Amsterdam berufen. In Deutschland wurden derweil Campendonks Arbeiten aus den Museen verbannt. Einige seiner Bilder wurde als Exempel in der berüchtigten Ausstellung „Entartete Kunst“ vorgeführt. Campendonk blieb auch nach dem Krieg in den Niederlanden. Er starb 1957 in Amsterdam.
Wahrscheinlich wurden Campendonks Wandbilder in der Villa Merländer schon vor 1933 verdeckt und durch die Besitzerwechsel schließlich vergessen. Hinter mehreren Schichten Tapete überdauerten sie die Zeit. Heute kann man in der Villa Merländer die beiden restaurierten Campendonk-Bilder wieder als Teil eines Gesamtkunstwerkes besichtigen.
Aufgaben der NS-Dokumentationsstelle
Im Vordergrund der Tätigkeit der NS-Dokumentationsstelle steht die Erforschung der Geschichte der NS-Zeit in Krefeld. Ein Schwerpunkt ist die Aufklärung des Schicksals der jüdischen Krefelderinnen und Krefelder in der NS-Zeit. Die Namensliste befindet sich in ständiger Überarbeitung. Intensiv wurde auch über die verfolgten Roma und Sinti gearbeitet, die Fremdarbeiter, die Mitglieder der Krefelder KPD und der Zeugen Jehovas. Auf der anderen Seite soll eine erweiterte Übersicht über die Täterbiografien entstehen, exemplarisch erfasst sind bislang der Kreisleiter Diestelkamp, der Oberbürgermeister Dr. Heuyng, der Bürgermeister Dr. Hürter und der Gestapo-Chef Jung. Die Forschungsergebnisse werden in Vorträgen, Führungen, durch Aufsätze und Eigenpublikationen der NS-Dokumentationsstelle der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Einrichtung wird dabei durch einen gemeinnützigen Förderverein, den Villa Merländer e.V., unterstützt.
1924/25
Bau der Villa für den jüdischen Seidenfabrikanten und Seidenhändler Richard Merländer
1925
Wandmalereien im Speise- und (Karten)Spielzimmer durch den Expressionisten Heinrich Campendonk
Ende 1938
Auszug Richard Merländers nach dem Novemberpogrom
1941
Erzwungener Verkauf des Hauses, Umwandlung in ein Hotel
1942
Deportation und Ermordung Richard Merländers in Treblinka
nach 1945
mehrfacher Besitzerwechsel
1989
Anmietung durch die Stadt Krefeld
Wiederentdeckung der Wandbilder
1991
Eröffnung des NS-Dokumentationszentrums der Stadt Krefeld (seit 1996 NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld)
1998
Vorstellung der freigelegten Wandbilder von Heinrich Campendonk
2000
Gründung eines Kuratoriums
2001
Symposion zum Gedenken an Aurel Billstein
2003
Festakt zur Erinnerung an die Einweihung der Synagoge an der Petersstraße vor 150 Jahren
2008
Ausstellung zum Novemberpogrom in Krefeld vor 70 Jahren
Eröffnung der neuen Synagoge an der Wiedstraße mit Reproduktionen von Thorn-Prikker-Glasfenstern, die sich vor der Zerstörung in der Synagoge an der Petersstraße befanden - nach Idee und Spendenaufruf des Villa Merländer e.V.
2010
Erste Bildungspartnerschaft mit dem Arndt-Gymnasium
2011
Zug der Erinnerung in Krefeld
Konzert zum 30-jährigen Bestehen der NS-Dokumentationsstelle
2014
Neugestaltung der Ausstellung "Krefeld und der Nationalsozialismus"