Im Detail
Das kleine Dorf Sandbostel liegt zwischen Bremen und Hamburg in der niedersächsischen Provinz. Bereits vor Beginn des zweiten Weltkriegs wurde hier das Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlager (Stalag) X B Sandbostel eingerichtet. Zwischen 1939 und 1945 war das Stalag X B eines der größten Kriegsgefangenenlager in Nordwestdeutschland mit insgesamt mindestens 313.000 Kriegsgefangenen, Zivil- und Militärinternierten aus über 55 Nationen. Vor Kriegsende wurden zusätzlich etwa 9.500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme und einigen Außenlagern aus dem Bremer Raum auf Todesmärschen nach Sandbostel deportiert.
Nachweisbar sind über 1.100 Arbeitskommandos im gesamten Elbe-Weser-Dreieck in denen Kriegsgefangene aus Sandbostel zur Arbeit überwiegend in der Landwirtschaft eingesetzt waren. Zeitgleich wurden von Sandbostel aus bis zu 670 Arbeitskommandos verwaltet.
Namentlich nachweisbar sind 4.690 in Sandbostel verstorbene sowjetische Kriegsgefangene, die anonym in Massengräbern auf dem in der Nähe befindlichen Lagerfriedhof (heute „Kriegsgräberstätte Sandbostel“) bestattet wurden. Vermutlich ruhen in den Massengräbern deutlich mehr Verstorbene. Darüber hinaus sind 472 verstorbene Kriegsgefangene aus anderen Nationen, die in Einzelgräbern bestattet wurden, namentlich nachweisbar. Ein Teil wurde nach dem Krieg exhumiert und in die Herkunftsländer überführt.
In den vielen Arbeitskommandos des Stalag XB sind zahlreiche weitere Kriegsgefangene verstorben und teils auf kommunalen Friedhöfen, teils auf eigenen Friedhöfen im gesamten Elbe-Weser-Dreieck bestattet.
Auf einem eigenen Gräberfeld wurden in den 1950er-Jahren auf dem ehemaligen Lagerfriedhof die Gebeine von 2.786 KZ-Häftlingen, die zuvor aus mehreren Massengräbern um das Stalag X B herum exhumiert wurden, umgebettet. Nach weiteren Zu- und Umbettungen ruhen hier heute die sterblichen Überreste von 2.397 KZ-Häftlingen
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das ehemalige Stalag X B von 1945 bis 1948 als britisches Zivilinterneirungslager (CIC No. 2) überwiegend für ehemalige SS-Angehörige. Von 1948 bis 1952 wurde der Standort als „Gefängnislager Sandbostel“ durch die niedersächsische Justiz und von 1952 bis 1960 als Notaufnahmelager für jugendliche Flüchtlinge aus der DDR durch das Bundesvertriebenenministerium genutzt. Nach einer weiteren Nutzung, diesmal als Depot der Bundeswehr wurde das Gelände 1974 privatisiert und als „Gewerbegebiet Immenhain“ an lokale Gewerbetreibende verkauft.
Während der gesamten Nachnutzungen wurde das ehemals 35 ha große Lagergelände immer kleiner. Heute ist noch etwa ein Drittel erhalten, der Rest wird wieder als landwirtschaftliche Nutzfläche genutzt.
Die Bemühungen um die ab Anfang der 1980er-Jahre beginnenden historische Aufarbeitung der Geschichte des Lagers Sandbostel konzentrierte sich zunächst auf die Geschichte des Stalag X B und im Besonderen auf das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen und der KZ-Häftlinge. Dieumfangreiche und komplexe Nachkriegsnutzungen des Lagerareals bilden allenfalls einen Nebenaspekt der Betrachtung.
1992 wurden 23 historische, teils jedoch umfangreich überformte Gebäude des Kriegsgefangenenlagers und 3 weitere des angrenzenden Kriegsgefangenenlazarett unter Denkmalschutz gestellt.
Nachdem Werner Borgsen und Klaus Volland 1991 die Monographie "Stalag X B Sandbostel" veröffentlicht hatten, kam es im Januar 1992 zur Gründung des Geschichtsvereins "Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel e.V.". Diese Initiative bemühte sich seitdem um die Einrichtung einer Gedenkstätte am historischen Ort..
In Folgeeiner öffentlich ausgetragenen Kontroverse wurde Ende 2014 von neun Trägern die Stiftung Lager Sandbostel gegründet, mit dem erklärten Ziel am historischen Ort eine Gedenkstätte zu errichten. 2005 wurde ein erstes, 2008 ein weiteres Teilgrundstück des ehemaligen Lagergeländes erworben.
2007 erfolgte die Einrichtung einer provisorischen Gedenkstätte. Durch die Schaffung einer ersten Stelle erfolgte ein Professionalisierungsschub.
Durch Fördermittel konnten seit dem der bedeutende historische Gebäudebestand gesichert und saniert, zwei Gebäude zu Ausstellungsgebäuden umgebaut und eine zweigeteilte Dauerausstellung erarbeitet werden.
Am 29. April 2013, dem 68. Jahrestag der Befreiung des Stalag XB erfolgte im Beisein von mehreren Überlebenden und zahlreicher Angehöriger die offizielle Eröffnung
Februar 1926
Planung eines Lagers für Strafgefangene
November 1932
Einrichtung eines Lagers des „Arbeitsdienstes Niedersachsen e. V.“
Mai 1933
Übernahme durch den „Arbeitsdienst der NSDAP“, ab Juni 1935 durch den „Reichsarbeitsdienst“ (RAD); 1937/38 Schließung des RAD-Lagers „Klenkenholzermoor“
September 1939
Einrichtung des Kriegsgefangenen-Mannschafts-Stammlagers (Stalag) X Sandbostel (ab Dezember 1939 Stalag X A, ab April 1940 Stalag X B)
Eintreffen der ersten polnischen Kriegsgefangenen
Oktober 1941
Eintreffen der ersten sowjetischen Kriegsgefangenen
Winter 1941/42
Massensterben unter den sowjetischen Kriegsgefangenen
ab 12. April 1945
Unterbringung von etwa 9500 Häftlingen des KZ Neuengamme; Massensterben
19./20. April 1945
„Hungerrevolte“ der KZ-Häftlinge
29. April 1945
Befreiung des Lagers durch die britische Armee
Juni 1945 bis 1948
Britisches Internierungslager „No. 2 Civil Internment Camp“
1948 bis 1952
„Strafgefängnis Lager Sandbostel“
1952 bis 1960
„Notaufnahmelager“ für männliche jugendliche Flüchtlinge aus der DDR
1963 bis 1970
Nutzung durch die Bundeswehr, zuletzt als Depot
1974
Privatisierung und Nutzung des Standorts als Gewerbegebiet „Immenhain“
1992 Gründung des Vereins „Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel e. V.“
1994
Eröffnung der Wanderausstellung des Vereins über das Kriegsgefangenenlager
1998
Eröffnung einer Dokumentationsstätte am 28. Januar in Bremervörde
2004
Gründung der „Stiftung Lager Sandbostel“
2005
Erwerb von 2,7 Hektar des ehemaligen Lagergeländes durch die Stiftung
2005
Erwerb eines 2,7 ha Teilgrundstückes des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers
ab 2007
Einrichtung der „Gedenkstätte Lager Sandbostel“
2008
Erwerb eines weiteren 0,5 ha großen Grundstücks des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers Sandbostel
2008 – 2010
Erstes Sicherungs- und Sanierungsprojekt der historischen Bausubstanz
2011 – 2013
Zweites Sicherungs- und Sanierungsprojekt der historischen Bausubstanz
29. April 2013
Eröffnung der Dauerausstellung „Das Stalag X B Sandbostel – Geschichte und Nachgeschichte eines Kriegsgefangenenlagers“