Im Detail
Das von 1939 bis 1945 bestehende Kriegsgefangenen-Stammlager (Stalag) IX A Ziegenhain war eines von insgesamt 83 Kriegsgefangenen-Mannschaftsstammlagern im damaligen Reichsgebiet. Es ist das einzige, dessen Struktur in großen Bereichen noch heute zu erkennen und von dem eine große Zahl historischer Baracken erhalten ist. Seit 1985 steht die Gesamtanlage unter Denkmalschutz. Auf einer 47 Hektar umfassenden Fläche errichtet, war es das größte Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet des heutigen Hessen.
Zum Stalag gehörten zwei getrennt voneinander angelegte Friedhöfe, einer für die verstorbenen polnischen und westeuropäischen Kriegsgefangenen (Stalag-Friedhof I), der zweite, weit abgelegene für die Todesopfer der von den Nazis als „Untermenschen“ deklarierten sowjetischen und serbischen Kriegsgefangenen sowie für die Toten unter den italienischen Militärinternierten (Stalag-Friedhof II).
Im September 1992 wurde dieser Friedhof nach seiner Neugestaltung als Mahn- und Gedenkstätte Waldfriedhof Trutzhain eingeweiht. Seine Betreuung und Pflege übernehmen jeweils die Abschlussklassen der Carl-Bantzer-Schule. Der andere Friedhof ist heute Gemeindefriedhof von Trutzhain.
Im Stalag IX A waren ab 1939 zunächst hauptsächlich polnische und französische Kriegsgefangene untergebracht. Ab Sommer 1940 stellten die Franzosen die größte Gruppe im Lager. Für 1941 ist belegt, dass von 35.000 dort registrierten Kriegsgefangenen mehr als 32.000 aus Frankreich stammten. Unter ihnen befand sich der spätere französische Staatspräsident François Mitterand. Hinzu kamen Niederländer, Belgier, Briten, Serben sowie italienische Militärinternierte und schließlich auch amerikanische Soldaten. Mehrere Tausend sowjetische Kriegsgefangene, die seit November 1941 in das Lager verbracht wurden, mussten in einem abgesonderten Lagerbereich unter unmenschlichen Bedingungen dahinvegetieren.
1944 gehörten über 50.000 Gefangene zum Stammlager IX A, von denen jedoch nur ein Teil im Lager selbst untergebracht war. Die Mehrzahl von ihnen musste in den etwa 2.000 Arbeitskommandos im Wehrbereich IX Zwangsarbeit leisten, viele in der Kasseler Rüstungsindustrie, in den Munitionsfabriken in Stadtallendorf sowie in der Land- und Forstwirtschaft. Am 30. März 1945 wurde das Kriegsgefangenenlager von amerikanischen Truppen befreit. In der Folgezeit diente das Areal zunächst zur Unterbringung von kriegsgefangenen Wehrmachts- und SS-Angehörigen sowie zur Internierung von NSDAP-Mitgliedern, danach als Lager für „Displaced Persons“ (DP-Camp 95-443), d.h. für osteuropäische Juden, die auf Ausreise warteten. Durch die ab 1948 in den ehemaligen Lagerbaracken untergebrachten Heimatvertriebenen und Ostflüchtlingen kam es 1951 zur Gründung eines neuen Gemeinwesens mit der Bezeichnung Trutzhain.
Seit 1983 erinnerte ein kleines, in Privatinitiative gegründetes Museum in den oberen Räumen des Dorfgemeinschaftshauses an die Geschichte des Kriegsgefangenenlagers. Es stand unter der Regie der Kyffhäuserkameradschaft Trutzhain, die mit „Les anciens du Stalag IX A“, der Organisation ehemaliger französischer Kriegsgefangener, zusammenarbeitet. Parallel dazu war der Arbeitskreis Spurensicherung des DGB bei der Erforschung der Lagergeschichte aktiv.
Entsprechend dem einstimmigen Beschluss der Schwalmstädter Stadtverordnetenversammlung vom April 1995 wurden Teile des bestehenden Museums in größere Räumlichkeiten einer ehemaligen Wachbaracke verlegt und nach wissenschaftlichen und museumspädagogischen Erkenntnissen neu gestaltet. Die dazu notwendigen Vorbereitungen, welche neben der Erarbeitung eines Konzeptes und der Inventarisierung des Sammlungsbestandes auch weitere Archivrecherchen umfassen, waren 2003 beendet. Die Gedenkstätte und Museum Trutzhain wurde am 27. Juni 2003 eröffnet. Als Lernort, Gedenkort und Begegnungsstätte zugleich soll das neue Museum zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermitteln und somit zur politischen Bildung und Friedenserziehung beitragen.