Im Detail
Der jüdische Bankier Moritz Simon gründete im Jahre 1893 die „Israelitische Erziehungsanstalt zu Ahlem bei Hannover“, später kurz „Israelitische Gartenbauschule Ahlem“. Zu diesem Zeitpunkt war die rechtliche Gleichstellung von Juden in Deutschland erreicht. Aber jahrhundertelange Einschränkungen in der Berufswahl führten weiterhin dazu, dass Juden in handwerklichen und landwirtschaftlichen Berufen stark unterrepräsentiert waren. Hier setzte Simons Reformidee an. In vier Jahrzehnten erlangte die Schule einen internationalen Ruf. Hunderte ihrer Absolventen arbeiteten inzwischen als Gärtnerin oder Gärtner, Gartenarchitekten, Landschaftsplaner, Handwerker oder Hauswirtschafterinnen im In- und Ausland. Die Schule war gemäßigt religiös, aber nicht zionistisch ausgerichtet.
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten im Jahre 1933 wurden Juden hier beruflich auf die Emigration vorbereitet. Dies sicherte die Existenz der Schule. Für Schüler und Lehrlinge bildete sie einen Schutzraum auf Zeit. Zum 30. Juni 1942 wurde die Schließung der Schule angeordnet. Seit Dezember 1941 nutzte die Gestapo das Gelände als Sammelstelle für die jüdische Bevölkerung vor ihrer Deportation in die Ghettos und Vernichtungslager Osteuropas.
Nach der Ausbombung ihrer Leitstelle beschlagnahmte die hannoversche Gestapo im Oktober 1943 das Direktorenhaus und richtete im alten Haupthaus ein Gefängnis ein. Im März 1945 ermordete sie zahlreiche Häftlinge auf dem Gelände.
Jüdische Überlebende der Shoa gründeten nach ihrer Befreiung auf dem Gelände einen landwirtschaftlichen Kibbuz. Die letzten von ihnen wanderten Anfang 1948 in das spätere Israel aus.
Die Gedenkstätte Ahlem wurde im Jahre 1987 durch den Landkreis Hannover im Untergeschoss des historischen Direktorenhauses der Gartenbauschule eingerichtet. Als ihr Rechtsnachfolger beschloss die Region Hannover im Jahre 2007 den räumlichen Ausbau und die konzeptionelle Weiterentwicklung der Gedenkstätte. Die Gedenkstätte umfasst seit ihrer Neueröffnung im Juli 2014 das gesamte Direktorenhaus sowie ein neues Foyer. Eine Wegeachse verbindet sie mit der „Wand der Namen“. Dort sind die Namen Tausender verzeichnet, die entweder von hier in den Tod deportiert wurden oder deren Tod ursächlich auf Entscheidungen der Gestapo in Ahlem beruht.
Die neue Dauerausstellung dokumentiert im zweiten Stockwerk des Direktorenhauses die Geschichte der Israelitischen Gartenbauschule bis zur Schließung im Juni 1942 sowie die Gründung des Kibbuz „Zur Befreiung“ 1946. Im ersten Stockwerk liegt der Fokus auf der Zeitschicht des Nationalsozialismus, der Herrschaft der Gestapo in Ahlem.
1893
Eröffnung der Israelitischen Gartenbauschule Ahlem mit einer Volksschule und einer Lehrlingsabteilung
1903
Aufnahme jüdischer Mädchen in die Volksschule und in hauswirtschaftliche Ausbildungsgänge
1933
Die Schule muss ihr Curriculum auf die Förderung der Emigration aus Deutschland umstellen
1941-1944
Das Schulgelände ist Sammelstelle für sieben Transporte von Juden aus den Regierungsbezirken Hannover und Hildesheim in die Ghettos und Vernichtungslager Osteuropas
1942
Zwangsweise Schließung der Schule
1943-1945
Sitz zweier Gestapo-Referate zur Überwachung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern; ab Mitte 1944 zusätzlich Gestapo-Gefängnis.
1945
Ermordung von mindestens 59 Häftlingen auf dem Gelände
1946-1948
Jüdische Überlebende der Shoah arbeiten und lernen im Kibbuz „Zur Befreiung“ auf dem Gelände der ehemaligen Gartenbauschule.
1952-1955
Gelände und Gebäude werden als jüdisches Eigentum restituiert und später durch die Landwirtschaftkammer Hannover erworben
1987
Eröffnung der Gedenkstätte Ahlem im Untergeschoß des historischen „Direktorenhauses“
1993
Einweihung eines Gedenkortes an der ehemaligen Laubhütte durch die Deutsch-Israelische Gesellschaft, Arbeitsgemeinschaft Hannover
1907
Beschluss zum Ausbau der Gedenkstätte durch die Region Hannover
2008
Berufung einer interdisziplinären Fachkommission zur Ausarbeitung von Empfehlungen für die Neukonzeption der Gedenkstätte Ahlem
Juli 2014
Neueröffnung der Gedenkstätte Ahlem