Im Detail
Bis heute gibt es in Bad Buchau viele Spuren jüdischen Lebens. Im Jahre 1382 werden die ersten Juden in Buchau erwähnt. In der Abgeschiedenheit des Ortes, der früher auf eine Halbinsel im Federsee lag, wuchs die jüdische Gemeinde heran. Mitte des 19. Jahrhunderts stellt sie ein Drittel der Bevölkerung. Über Jahrhunderte hinweg leben die Gemeindemitglieder in der Judengasse, bis sich 1828 die Rechtslage ändere: Juden durften Grundstücke kaufen und Betriebe gründen und so prägten von da an die jüdischen Häuser ung Geschäfte das Buchauer Stadtbild. 1730 wurde die erste, 1839 die zweite Synagoge gebaut, die Ausdruck der Größe und des Wohlstandes der Gemeinde war. Im November 1938 wurde die Synagoge zerstört, die jüdischen Bürger zogen weg oder wurden von den Nationalsozialisten deportiert. Steinerne Zeugen sind geblieben, auf dem seit 1675 belegten Friedhof haben 827 Grabsteine die NS-Zeit überstanden. In einem Gedenkraum wird an die Geschichte der Buchauer Juden erinnert und viele Erinnerungsstücke erzählen von den ehemaligen Besitzern.
1382 Erste Erwähnung von Juden in Buchau
1401 Buchauer Juden zahlen Judensteuer an König Ruprecht
1517 Handelsjuden müssen sich durch einen gelben Ring kenntlich machen
1570 Die Reichsstadt gewährt den Juden Schutz: Glaubensfreiheit, Sicherheit von Leben und Eigentum, Wohnung in der Judengasse
Erlaubnis zum Handel (Schacher) und Geldverleihen
1675 „Neuer“ Friedhof am Rand der Buchauer Insel; zuvor war der Begräbnisplatz an alten Saulgauer Straße hinter Kappel (heute ein Stadtteil von Bad Buchau)
1730 Bau der erste Synagoge in der Judengasse,
1752 Beschränkung der jüdischen Familien auf 45
1793 Die Äbtissin Maximiliana von Stadion erlaubt 12 jüdischen Familien sich in Kappel niederzulassen, eigene Gemeinde mit Synagoge und Schule, ab 1873 wieder mit Buchau vereint
1807 Erlaubnis zum Gütererwerb
1809 Erlaubnis zum Betrieb bürgerlicher Betriebe und zum Eintritt in die Zünfte
1819 Erlaubnis zum Universitätsstudium, der erste Student aus Buchau war 1819 Martin Einstein. Er studierte Medizin und war bis 1887 Arzt in Buchau
1822 2 jüdische Familien dürfen sich am Marktplatz niederlassen
1825 Bau eines jüdischen Schulhauses/Gemeindehauses für den hebräischen Unterricht sonstiger Unterricht in der Stadtschule, von 1879 – 1938 in der Latein- und Realschule sowie der Volksschule im Langen Bau.
1828 Emanzipation - staatsbürgerliche Gleichstellung
1835 Die ersten Buchauer Textilfirmen waren jüdische Betriebe
1838 Wohnen in Buchau 736 Juden, 1/3 der damaligen Gesamtbevölkerung
1839 Einweihung der „neuen“ Synagoge, als Besonderheit hatte sie ein Glockenspiel
1841 Bau des Rabbinats neben der Synagoge
1849 Der erste jüdische Mitbürger wurde in den Bürgerausschuss und in den Gemeinderat gewählt
1854 Das Glockenspiel wird durch eine Glocke ersetzt (Inschrift Psalm 122)
1864 Endgültige Gleichstellung der Juden mit allen übrigen Staatsbürgern
1873 Vereinigung der beiden jüdischen Gemeinden Buchau und Kappel
1900 Um die Jahrhundertwende prägen die jüdischen Industriebetriebe da Bild der Stadt und sind Hauptarbeitgeber für viele Mitbürger
1914/18 Zogen jüdische und nichtjüdische Männer an die Front
1923 Am 17.9.23 führt die Firma "Trikotagen Hermann Moos AG" Notgeld in Scheinen zu 5, 20 und 100 Millionen Mark ein (Beschränkungsdauer bis 31.12.23)
1931 Am 21.2. wurde in Buchau eine Ortsgruppe der judenfeindlichen NSDAP gegründet
1933 Am 5.5. wurde die Judengasse in Freigasse umbenannt (seit 1985 wieder Judengasse), der Marktplatz in Adolf Hitler Platz (heute wieder Marktplatz) und am 22.5. die Wallersteinstraße (nach einem verdienten Juden) in Leo Schlageter Straße (heute Gartenstraße).
1935 Nürnberger Rassengesetz
1938 Am 9.11.1938 wird von einer SA Einheit aus Ochsenhausen in der Buchauer Synagoge Feuer gelegt. Buchauer Bürger greifen ein und löschen. Am 11.11. Nacht um 3 Uhr wird erneut Feuer gelegt; es darf nicht gelöscht werden. Endgültig wird die Synagoge durch ein Sprengkommando aus Ulm zerstört.
1945 Im Febr. werden die letzten Buchauer Juden abtransportiert.
Nur 4 Juden kehren 1945 nach Buchau zurück.
1968 Der letzte Buchauer Jude, Siegbert Einstein stirbt am 24. Dezember.
1974 Die evangelische Ehefrau von Siegbert Einstein, Elsa Einstein wird bei ihrem Mann auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.
1988 Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht am 9.November. In der Nacht vom 12. auf 13. November 1988 werden 17 Grabsteine auf dem Friedhof umgeworfen, mit SS-Runen und Hakenkreuzen beschmiert.
1991 Am 16. April 1991 wurde auf dem Jüdischen Friedhof ein Mahnmal für die Opfer des Holocaust aufgestellt. Die Stehle trägt die Namen der Opfer und den hebräischen Spruch „Ihre Seelen mögen eingebunden sein in den Bund des Lebens“. Der Gedenkstein trägt die Inschrift „Dem Gedenken unserer Jüdischen Mitbürger“.
1992 Auf dem Friedhof werden erneut 18 Gräber geschändet. Diese Zerstörung war ausschlaggebend, dass im November 1992 eine Ausstellung in Bad Buchau gezeigt wurde mit dem Titel „Jüdische Friedhöfe – Häuser des Lebens“. Meistens sind die Jüdischen Friedhöfe die einzigen sichtbaren Zeichen der reichen Geschichte einer Stadt.
Seit 1992 findet immer am 9. November eine Stunde des Schweigens auf dem Friedhof statt. Bei dieser Gedenkfeier wird an die Zerstörung der Synagoge in Buchau erinnert und an die Opfer des Holocaust.
1998 Ausstellung „Gedenke und Vergiss nicht“
2000 Publikation: Charlotte Mayenberger „Moritz Vierfelder – Leben und Schicksal eines Buchauer Juden“
2000 Werden die Lebenserinnerungen von Dr. Oskar Moos (Von Buchau nach Theresienstadt – Dr. Oskar Moos) von Charlotte Mayenberger in den Buchauer Heimatkundlichen Blättern veröffentlicht
2002 Wurde der auf der Erddeponie gefundener Grabstein von Rabbiner Maier Wolf wieder auf dem Jüdischen Friedhof aufgestellt.
2003 Charlotte Mayenberger veröffentlicht in den Heimatkundlichen Blättern einen Artikel über Friedrich Bernheim „Friedrich Bernheim – der Lottenfriedel“
2003 Nach 35 Jahren fand wieder eine Jüdische Beerdigung statt. Theodor Auster, ein Jude der nach dem Krieg in Herbertingen lebte, wurde auf dem Friedhof beigesetzt.
2005 Zum Jüdischen Friedhof erscheint eine Dokumentation (auch als CD) von Charlotte Mayenberger. Alle Grabsteine sind in Bild und Wort erfasst
2008 Ausstellung und Publikation: Charlotte Mayenberger „Juden in Buchau“
2009 Ausstellung im Haus des Gastes „Jüdische Feste und Bräuche“
2010 Eröffnung des Gedenkraums „Juden in Buchau“ hinter der Tourist Information
2011 Ausstellung im Rathaus Bad Buchau zur Deportation der jüdischen Mitbürger im Dezember 1941 in das Konzentrationslager nach Riga
2012 Ausstellung in der Federseebank Bad Buchau und Broschüre: Charlotte Mayenberger „Von Buchau nach Theresienstadt – Vom guten Miteinander zur Deportation“.
2014 Ausstellung in der Kreissparkasse Bad Buchau und Broschüre: Charlotte Mayenberger „Die jüdische Gemeinde Buchau und ihre Synagogen – 175 Jahre Synagoge Buchau“
Erinnerungstafel an der ehemaligen Schule von Rabbiner Dr. Michael Güldenstein
Erinnerungstafel am ehemaligen Rabbinat