Im Detail
Bereits sieben Jahre nach Eröffnung der Preußischen Straf-, Lern- und Besserungsanstalt gelangten zum ersten Mal aus politischen Gründen verurteilte Menschen in das Gefängnis, das ab Ende des 19. Jahrhunderts als „Roter Ochse“ bezeichnet wurde. Im Durchschnitt waren hier 350 Gefangene in Einzelhaft untergebracht, die in großen Sälen unter strenger Beachtung des „Schweigegebotes“ Manufakturarbeiten verrichten mussten.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland diente die Haftanstalt zunächst als Gefängnis für Justizbehörden, nahm aber gleichzeitig Schutzhäftlinge der politischen Polizei (Gestapo) auf. Bis Ende 1935 erfolgte eine Umsetzung dieser Häftlinge in sächsische und thüringische Gefängnisse. Gleichzeitig füllten sich die Haftgebäude wieder mit zu Zuchthausstrafen verurteilten Männern, die dann vor allem in Werkstätten der holzverarbeitenden Industrie, Stempel-schneiderei, Druckerei, Buchbinderei usw. arbeiten mussten.
Nach dem Umbau des Zuchthauslazarettes zu einer Richtstätte vollstreckten die Scharfrichter Todesurteile an insgesamt 549 Menschen aus 15 Ländern Europas, zunächst ab November 1942 durch das Fallbeil und ab Anfang 1944 auch durch den Strang. Die meisten Verurteilten sind durch das Reichskriegsgericht nach Halle überstellt worden, eine große Zahl kam von Divisionsgerichten des Ersatzheeres der Wehrmacht. Am 11. April 1945, sechs Tage vor Besetzung der Stadt durch US-amerikanische Truppen, evakuierten die Justizbehörden 400 Gefangene. Mehr als die Hälfte von ihnen überlebte den Transport nicht.
Von Juli 1945 bis Mitte 1950 diente der Gebäudekomplex dem sowjetischen Sicherheitsdienst NKWD als Haft- und Internierungsort. Sowjetische Militärtribunale (SMT) verurteilten mehrere tausend Menschen, viele von ihnen wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Verbrechen während der NS-Diktatur, aber auch Gegner von Maßnahmen der Besatzungsmacht und der Politik von KPD bzw. SED.
Ab Oktober 1950 nutzte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) fast die gesamte Liegenschaft, den SMT standen bis 1955 weiterhin Haftplätze und ein Gerichtsgebäude zur Verfügung. Ab 1952 führte das MfS den unteren Teil des Gefängnisses als Untersuchungshaftanstalt, der obere Teil diente als Haftanstalt des Ministeriums des Innern der DDR. Für den Zeitraum 1955 bis 1989 ist von einer Gesamtzahl von über 6.000 Untersuchungsgefangenen auszugehen. Im Dezem-ber 1989 veranlassten Mitglieder der Bürgerbewegung die Entlassung der letzten politischen Gefangenen aus dem „Roten Ochsen“, drei Monate später räumte das MfS die Anstalt.
Am 15. Februar 1996 wurde in der Haftanstalt eine Gedenkstätte eröffnet, deren Wiedereröffnung nach erfolgter Sanierung und Einrichtung einer neuen Dauerausstellung am 15. Februar 2006 erfolgen wird. Die Gedenkstätte bietet vielfältige Möglichkeiten der Bildungsarbeit für Schulen, Bundeswehreinrichtungen und anderen Bildungsträgern. Inhalt der Vorträge, Führungen und Seminare sind vor allem die Unrechtshandlungen und Menschenrechtsverletzungen im „Roten Ochsen“ während verschiedener Diktaturen.
1838-1842
Bau der Preußischen Straf-, Lern- und Besserungsanstalt vor der Stadt Halle für ca. 350 Gefangene (Einzelhaft-system)
Mai 1842
Einlieferung der ersten Insassen
Frühjahr 1849
Einlieferung der ersten aus politischen Gründen verurteilten Personen
1933-35
Gefängnis und Schutzhaftlager für nationalsozialistische Justiz- und Polizeibehörden,
Erweiterung der Haftkapazität auf 600 Gefangene, 1935 Austausch der Gefangenen, Nutzung als Zuchthaus zunächst für den Oberlandesgerichtsbezirk Naumburg
1936-45
Bau eines Werkstättengebäudes und Erweiterung der Haftkapazität auf 790 Gefangene,
Gefangene aus ganz Deutschland und (ab 1939) insgesamt mindestens 17 Ländern Europas, tatsächliche Belegung bis 1.200 Insassen (1945)
1942-45
Nutzung des Lazarettgebäudes als Richtstätte für Wehrmachtgerichte (Reichskriegsgericht), den Volksgerichts-hof und Sondergerichte mehrerer Städte, Hinrichtung von 549 Männern, Frauen und Jugendlichen, Haftort für weitere Verurteilte vor ihrer Erschießung in der Döl