Im Detail
Seit 1811 beherbergte das Pirnaer Schloß Sonnenstein eine der ersten deutschen Heilanstalten für Geisteskranke, die wegen ihrer Fortschrittlichkeit weltweiten Ruf erlangte und als Modelleinrichtung galt.
Nachdem die Anstalt im Oktober 1939 aufgelöst worden war, installierte man unter Leitung von Dienststellen der NSDAP und einer speziell geschaffenen Zentrale für den geplanten Massenmord an psychisch Kranken und geistig Behinderten ("Aktion T4") im Frühjahr 1940 in einem abgeschirmten Gebäudekomplex Gaskammer und Krematorium. Im Rahmen der "Aktion T4" starben hier zwischen Juni 1940 und August 1941 wenigstens 13.720 Menschen, darunter mehrere hundert Kinder.
Im Sommer 1941 wurden dann zusätzlich über tausend Häftlinge aus Konzentrationslagern während der "Aktion 14f 13" getötet. Das Ausmaß der Häftlingstransporte ist noch nicht vollständig bekannt. Belegt sind Transporte aus den Konzentrationslagern Sachsenhausen (269 Häftlinge am 4.-7. Juni 1941), Buchenwald und Auschwitz. Ein sehr großer Teil der am 14. und 15. Juli 1941 vergasten 187 Häftlinge des KZ Buchenwald waren Juden. Dieser Vernichtungsaktion folgte am 28. Juli 1941 ein Transport von 575 jüdischen und polnischen Häftlingen des KZ Auschwitz, die ebenfalls in der Sonnensteiner Gaskammer getötet wurden. Gerade an dieser Massenvergasung zeigt sich der beginnende Übergang in eine neue Dimension des Mordens.
Im sogenannten "Dresdner Ärzteprozeß" im Jahr 1947 wurden einige der Beteiligten an der Mordaktion auf dem Sonnenstein zur Verantwortung gezogen. In Pirna wurde nach dem Ärzteprozeß kaum noch über die hier verübten Verbrechen gesprochen. Diese wurden über vier Jahrzehnte verdrängt und weitgehend verschwiegen. Auf dem Gelände des Sonnensteins wurde ein von der Öffentlichkeit abgeschirmter Großbetrieb errichtet, der die Gebäude der Tötungsanstalt nutzte.
Am 1. September 1989 wurde im Gemeindezentrum Pirna-Sonnenstein anläßlich des 50. Jahrestages des Beginns der nationalsozialistischen Krankenmordaktionen auf Initiative einiger an der Aufklärung interessierter Bürger eine kleine Ausstellung des Westberliner Historikers Götz Aly zur "Aktion T4" eröffnet. In der Folge entstand eine Bürgerinitiative zur Schaffung einer Gedenkstätte für die Opfer der Mordaktionen auf dem Sonnenstein, die sich im Juni 1991 mit der Gründung des Kuratoriums Gedenkstätte Sonnenstein e.V. institutionalisierte. Wichtige Ergebnisse der Arbeit des Kuratoriums sind die Durchführung von Gedenkveranstaltungen und von Symposien, archivalische Forschungen, der Aufbau einer Ausstellung zur Geschichte der Heil- und Tötungsanstalt Sonnenstein, die Herausgabe von zwei Publikationen und ergebnisreiche bauarchäologische Untersuchungen im Tötungsbereich. Im Februar 1995 begannen erste Arbeiten zum Aufbau der Gedenkstätte. Nach dem Abschluß der Bau- und Rekonstruktionsarbeiten konnten am 9. Juni 2000 die Werkstatt und die Gedenkstätte ihrer jeweiligen Bestimmung übergeben werden. Gleichzeitig wurde in der Gedenkstätte eine ständige Ausstellung zur Dokumentation der „Euthanasie“-Verbrechen auf dem Sonnenstein eröffnet.
Juni 1811
Eröffnung einer der ersten deutschen Heilanstalten im Schloss Sonnenstein. Diese erlangt in der 1.Hälfte des 19.Jahrhunderts internationale Anerkennung.
Oktober 1939
Auflösung der Heil- und Pflegeanstalt.
Frühjahr 1940
Umbau von Anstaltsteilen in eine Tötungsstätte.
Juni 1940-August 1941
Vergasung von mindestens 13720 psychisch Kranken und geistig behinderten Menschen im Rahmen der "Aktion T4".
Juni-August 1941
Ermordung von über 1000 KZ-Häftlingen ("Aktion 14f 13").
1973
Anbringung einer Gedenktafel am Schlossaufgang.
September 1989
Ausstellung zur "Aktion T4" im Sonnensteiner Kirchengemeindezentrum.
Juni 1991
Gründung des Kuratoriums Gedenkstätte Sonnenstein e.V.
1993/94
Bauarchäologische Untersuchungen im Tötungskeller.
1995
Beginn des Aufbaus der Gedenkstätte.
1997
Grundsteinlegung zur Errichtung der Werkstatt für Behinderte der AWO Sonnenstein und der Gedenkstätte.
Juni 2000
Einweihung der Werkstatt für Behinderte und der Gedenkstätte, Eröffnung der ständigen Ausstellung der Gedenkstätte.