Im Detail
Der Münchner Platz in Dresden ist einer der wichtigsten Orte der sächsischen Justizgeschichte des 20. Jahrhunderts. Das Landgericht am Münchner Platz diente seit seiner Eröffnung im Jahr 1907 als Gerichtsort, Haftanstalt und Hinrichtungsstätte. Während der nationalsozialistischen Diktatur führten sächsische Sondergerichte und der Volksgerichtshof hier einen Teil ihrer Prozesse durch. Da der Münchner Platz eine der zentralen Richtstätten des „Dritten Reiches“ war, wurden insbesondere nach Kriegsbeginn auch zahlreiche Menschen hier ermordet, die in Sachsen und darüber hinaus zum Tode verurteilt worden waren. Nach der Einführung der deutschen Gerichtsbarkeit im „Protektorat Böhmen und Mähren“ wurden Todesurteile des Sondergerichts Prag, des Oberlandesgerichts Dresden und des Volksgerichtshofs am Münchner Platz vollstreckt. Tschechinnen und Tschechen, die sich der deutschen Fremdherrschaft widersetzt hatten, stellten mit über zwei Dritteln der rund 1.400 während der nationalsozialistischen Diktatur am Münchner Platz Hingerichteten die mit Abstand größte Gruppe. Deutsche und polnische Widerstandskämpfer, Deserteure der Wehrmacht, Opfer der drakonischen Sondergerichtsbarkeit oder Angehörige der Zeugen Jehovas starben ebenfalls unter der Guillotine im Hof des Landgerichts.
Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Missbrauch der Justiz zu politischen Zwecken am Münchner Platz fort. Sowjetische Sicherheitsorgane nutzten den Ort bis 1950 als Sammel- und Durchgangsgefängnis für eine unbekannte Zahl von Menschen. Einem Teil wurde gar kein Prozess gemacht, andere verurteilten sowjetische Militärtribunale (SMT) am Münchner Platz zu 10 bis 25 Jahren Arbeitslager oder zum Tode. Unter den Verurteilten und Internierten befanden sich Anhänger und Funktionsträger der NSDAP, die zum Teil grausame Verbrechen begangen hatten, aber auch politische Gegner der sowjetischen Besatzungsmacht, willkürlich Verhaftete und Unschuldige, die Denunziationen zum Opfer gefallen waren. Ob die Todesurteile der Militärtribunale am Münchner Platz oder andernorts in Dresden vollstreckt wurden, ist ebenso unbekannt wie die genaue Zahl der sowjetischen Sicherheitsorganen Erschossenen. Die deutsche Justiz nutzte den Ort ebenfalls seit Kriegsende. In den frühen Nachkriegsjahren führte das Landgericht vorwiegend Prozesse wegen nationalsozialistischer Tötungsverbrechen durch. Mit der zunehmenden Stalinisierung wurden seit Ende der 1940er Jahre immer mehr vermeintliche und tatsächliche Regimegegner juristisch verfolgt. Mit der Auflösung der Länder 1952 wurde der Münchner Platz die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR-Justiz. Bis Ende 1956 wurden hier 66 Menschen hingerichtet. Darunter befanden sich Abtrünnige des Ministeriums für Staatssicherheit ebenso wie Teilnehmer auf Volksaufstand des 17. Juni 1953 und Menschen, die sich für westliche Geheimdienste betätigt hatten. 1957 übernahm die Technische Hochschule Dresden den Komplex und ließ ihn zu einem Lehr- und Verwaltungsgebäude umbauen. 1959 wurden das Areal um den ehemaligen Hinrichtungshof als „Mahn- und Gedenkstätte“ eingeweiht. Sie wurde 1986 um ein „Museum des antifaschistischen Widerstandes“ erweitert.
1992 initierten Bürgerinnen und Bürger, unter ihnen auch ehemalige Häftlinge, die Gründung des Münchner-Platz-Komitees e. V., das vorübergehend als Trägerverein für die Gedenkstätte Münchner Platz Dresden fungierte. 1994 übernahm die Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft die Gedenkstätte in ihre Trägerschaft. Am 7. November 1995 wurde im Nordosthof die Plastik des Bildhauers Wieland Förster „Namenlos – ohne Gesicht“ (nach einer Gedichtzeile Anna Achmatovas) eingeweiht, um der „zu Unrecht Verfolgten nach 1945“ zu gedenken. Wieland Förster fiel selbst als sechzehnjähriger Jugendlicher nach einer Denunziation in die Hände der sowjetischen Besatzungsmacht und erhielt hier von einem sowjetischen Militärtribunal eine mehrjährige Haftstrafe. Für einen Teil der in Dresden bis 1956 hingerichteten Personen wurde im Juni 1998 auf dem Urnenhain in Dresden-Tolkewitz eine würdige Grabanlage geschaffen. Seit Dezember 2012 bietet die Gedenkstätte eine Dauerausstellung unter dem Titel „Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Strafjustiz in Dresden 1933–1945 || 1945 – 1957“, die täglich für das Publikum geöffnet hat. Im Zentrum dieser Ausstellung stehen Einzelschicksale ausgewählter Menschen, die in Dresden der Strafjustiz des Nationalsozialismus, der SBZ oder der frühen DDR zum Opfer gefallen sind. Öffentliche Führungen für Besucher werden am Wochenende jeweils 14 Uhr angeboten. Rundgänge können auch individuell vereinbart werden. Darüber hinaus gibt es verschiedene pädagogische Angebote für Jugendliche, insbesondere für Schulklassen.
1902-1907
Gebäudekomplex als repräsentativer Justizbau für das Dresdner Landgericht erbaut.
1933-1945
Sitz des Landgerichts Dresden, Tagungsort sächsischer Sondergerichte und des Volksgerichtshofs; Haftanstalt und Hinrichtungsstätte.
1945-1950
Nutzung durch sowjetische Sicherheitsorgane als Durchgangs- und Untersuchungsgefängnis sowie Tagungsort Sowjetischer Militärtribunale.
1946-1957
Sitz des Land- und später Bezirksgerichts Dresden.
1959
Errichtung der "Mahn- und Gedenkstätte des antifaschistischen Widerstandskampfes" als Bestandteil der Technischen Hochschule Dresden.
1992
Entlassung der ehemaligen Mitarbeiter der Gedenkstätte und Reduzierung der Öffnungszeiten.
1995
Neue Konzeption der Gedenkstätte Münchner Platz; Übernahme in die Stiftung Sächsische Gedenkstätten.
Dezember 2000
Wiedereröffnung des Museums mit Wechselausstellungen.
Dezember 2012
Eröffnung der ständigen Ausstellung „Verurteilt. Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Justiz in Dresden 1933-1945 || 1945-1957“.