Im Detail
Die als offene Kapelle konzipierte und 1989/90 errichtete Gedenkstätte Grafeneck erinnert an die 10.654 Menschen – Männer, Frauen und Kinder –, die an diesem Ort zwischen Januar und Dezember des Jahres 1940 ermordet wurden.
Grafeneck, ein Schlossbau der Württembergischen Herzöge, war 1928/29 von der evangelischen Samariterstiftung Stuttgart erworben und als Behinderteneinrichtung genutzt worden. Zehn Jahre später, im Oktober 1939, wurde der Ort, das Schloss samt dem dazugehörigen Gelände, auf Weisung des Stuttgarter Innenministeriums beschlagnahmt. In den Folgemonaten wurde Grafeneck in eine Mordanstalt, die erste Vernichtungsstätte auf deutschem Boden, in der industriell gemordet wurde, umgewandelt. Fünf weitere folgten 1940/41: Brandenburg/Havel, Sonnenstein/Pirna, Bernburg/Saale, Hartheim/Linz und Hadamar/Limburg. Am 18. Januar 1940 begannen in einer Gaskammer auf dem Gelände von Grafeneck die systematischen Tötungen der „Aktion T4“, denen bis Dezember desselben Jahres 10.654 geistig behinderte und psychisch kranke Menschen – von den Tätern als „lebensunwertes Leben“ bezeichnet - zum Opfer fielen.
Nach der Rückgabe an die Samariterstiftung im Jahr 1947 wurde Grafeneck wieder eine Behinderteneinrichtung – bis zum heutigen Tag. Nach jahrzehntelangen lähmendem Schweigen, das erst Ende der 70er Jahre durchbrochen wurde, entstand 1990 - 50 Jahre nach den „Euthanasie“-Tötungen - unter dem Motto „Das Gedenken braucht einen Ort“ die Gedenkstätte Grafeneck. Eine in die Erde eingelassene steinerne Schwelle am Zugang zur Gedenkstätte nennt die Namen der über 40 baden-württembergischen und bayerischen Einrichtungen und Heime, aus denen Menschen zur Tötung nach Grafeneck gebracht wurden. Ergänzt wird die Gedenkstätte durch eine im Foyer des Schlosses untergebrachte, jederzeit öffentlich zugängliche Ausstellung. Das vom Gedenkstättenverein Arbeitskreis Gedenkstätte Grafeneck 1995 der Öffentlichkeit übergebene Gedenkbuch bewahrt, bis heute fortgeschrieben, die Namen von nahezu 7.000 Opfern des Massenmordes. Ein Teil der bis dahin namenlosen und vergessenen Opfer ist seither der Anonymität entrissen. Seit 1998 erinnert auch der Alphabet-Garten, geschaffen durch die amerikanische Künstlerin Diane Samuels, an die bekannten und die unbekannten Opfer von Grafeneck. Die als Granitquader in die Erde eingelassen 26 Buchstaben des Alphabets, sind inzwischen ein fester Bestandteil der Gedenkstätte. Zu den ursprünglichen Kernaufgaben des Gedenkens und Mahnens traten in den letzten Jahren verstärkt solche der historischen Forschung sowie der politischen Bildungsarbeit im Bereich der außerschulischen Jugend-, aber auch der Erwachsenenbildung hinzu.
Grafeneck, o.D., Luftbild Grafeneck, Gedenkstätte Grafeneck.
Grafeneck, o.D., Gedenkstätte und Gedenkbuch, Gedenkstätte Grafeneck.