Im Detail
1. Das Lager 1943 bis 1944
Von Anfang 1943 bis Ende 1944 nutzte die (im Nordflügel des Schlosses residierende) Saarbrücker Gestapo wegen der Überfüllung des Gefängnisses auf der Lerchesflur ein Barackenlager auf der Neuen Bremm als (erweitertes) Polizeigefängnis. Das Männerlager und das Ende 1943 hinzugekommene Frauenlager waren durch den weiterhin öffentlich bleibenden Alstinger Weg voneinander getrennt. Das mit Stacheldraht und Wachtürmen gesicherte Lagergelände maß ca. 150 x 80 Meter. Die beengten Gefangenenblocks und die Funktionsgebäude und Wachstuben standen im Karree, in der Mitte des Männer- wie des Frauenlagers befand sich jeweils ein Löschwasserbassin.
Für die Häftlinge, die von der Saarbrücker Gestapo festgenommen oder dieser von Dienststellen in Frankreich übergeben worden waren, war das Lager meist Durchgangsstation auf dem Weg in die Konzentrationslager in Deutschland oder in das KZ Natzweiler in den Vogesen. Wie viele Häftlinge gleichzeitig inhaftiert waren, ist ungewiss.
Die größte Häftlingsgruppe kam aus Frankreich: Résistants, aus Gründen des präventiven Terrors Verhaftete, Lothringer und Elsässer, die sich der Annexionspolitik widersetzt hatten, Verwandte von lothringischen Deserteuren, einzelne Juden, die anscheinend am Saarbrücker Hauptbahnhof größeren, meist von Drancy (dem großen Pariser Sammellager) kommenden, nach Auschwitz oder anderen Vernichtungslagern gehenden Transporten zugeführt wurden. Die nächst größere Gruppe dürften von Wehrmacht und Zivilverwaltung zwangsrekrutierte Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion und Polen gewesen sein. Wie im übrigen Reichsgebiet auch arbeiteten in der saarländischen Industrie zahlreiche Fremdarbeiter (Mitte 1944 waren es fast 50.000) und Kriegsgefangene (ca. 80.000). Bei den geringsten Vergehen wurden diese von den Betrieben an die Gestapo übergeben, von dieser misshandelt und häufig in die Konzentrationslager verbracht. Die dritte Opfergruppe bildeten Deutsche: Emigranten aus Frankreich, darunter Angehörige der Résistance und ehemalige Mitglieder der Internationalen Brigaden, aus politischen Gründen Verhaftete, sogenannte "Gemeinschaftsfremde" und Opfer des präventiven Terrors. Nach dem 20. Juli 1944 wurden zahlreiche ehemalige Abgeordnete und Funktionäre der KPD, der SPD und des Zentrums eingeliefert. Häftlinge aus der Region wurden im Allgemeinen besser behandelt als andere.
Lagerkommandant war ein Saarbrücker Polizeiinspektor und Untersturmführer der SS. Ihm zur Seite standen ein Polizeiassistent und zwei Sekretärinnen.. Das gesamte weitere Verwaltungs- und Wachpersonal bestand aus Zivilisten. Zeitweilig waren dies 20 bis 30 sogenannte "Volksdeutsche", die aus Rumänien umgesiedelt worden waren. Die Mehrheit jedoch waren, und das ist das Bemerkenswerteste an der Geschichte des Lagers, kleine Leute aus dem Saarland: aufgrund des Arbeitskräftemangels notdienstverpflichtete Invaliden und Pensionäre oder durch Kriegsumstände erwerbslos gewordene Personen, die vom Arbeitsamt an die Gestapo als Hilfskräfte vermittelt worden waren. Etwa ein Drittel der Wachleute war über 60 Jahre alt. Das Durchschnittsalter lag bei fast 50 Jahren. Drei Viertel waren Familienväter.
Das Verwaltungs- und Wachpersonal des Polizeigefängnisses Neue Bremm befleißigte sich innerhalb des Männerlagers einer Brutalität, die die der Totenkopf-Formationen der Waffen-SS in den Konzentrationslagern noch übertraf. Die Häftlinge wurden um ihre Rationen bestohlen und ausgehungert, der Hitze und der Kälte ausgesetzt, geschlagen, schikaniert und in der scheußlichsten Weise gequält. Belegt sind 82 Todesfälle auf der Neuen Bremm: 43 Franzosen, 15 Bürger der Sowjetunion, 9 Polen, 4 Deutsche, unter ihnen eine Frau, die infolge einer Diphtherieepidemie umkam. Die Ermordeten waren zwischen 17 und 64 Jahre alt.
In den Monaten Mai und Juni des Jahres 1946 fand vor dem Tribunal général du gouvernement militaire de la zone francaise d'occupation in Rastatt ein Prozess statt gegen über 30 ehemalige Wachleute. 14 von ihnen wurden zum Tode verurteilt und erschossen: Drei Gestapobeamte, ein Kapo und zehn ganz normale Männer. Auffällig ist, dass von den zehn hauptschuldigen Zivilisten lediglich zwei Mitglieder der NSDAP waren, während unter den anderen zwanzig Männern acht der Partei oder anderen NS-Organisationen angehörten. Auch die beiden vom Gericht als politisch besonders aktiv eingestuften NSDAP-Mitglieder - beide waren Blockwarte - gehörten nicht zu den Hauptschuldigen - auch dies Indizien dafür, dass die NS-Ideologie bei der Tätermotivation eine nachrangige Rolle spielte.
2. Das Lagergelände 1945 bis 2000
Das Barackenlager wurde 1945 abgerissen. Der Bodenbelag aus Brasche und die Fundamente der Baracken verschwanden unter der Erde, die seither mit Gras bewachsen ist. Das Lagerareal wurde nach und nach überbaut, als in seiner Umgebung, in der es vormals nur eine Gärtnerei gegeben hatte, ein Gewerbegebiet von typischem Stadtrandzuschnitt entstand. Zuletzt wurde auf dem Terrain des Frauenlagers von einer Hotelkette ein standardisiertes Geschäftshotel (mit einem swimming pool nahe dem ehemaligen Löschteich) erbaut.
Auf dem verbliebenen Rest des ehemaligen Lagergeländes wechselten in den letzten Jahrzehnten immer wieder längere Perioden des Verfalls und der Vernachlässigung mit kurzen Aktionen zu seiner Erhaltung und seiner Gestaltung als Gedenkstätte. So wurde 1978, nachdem es Proteste gegen den heruntergekommenen Zustand des Geländes gegeben hatte, der verwitterte Löschteich des Männerlagers, bis dahin die einzig verbliebene authentische Spur, mit einer frischen Betonschicht überzogen.
Eine ebenfalls in den 80-er Jahren aufgestellte Tafel mit einem Zitat aus einem Interview mit einem Häftling gehört zu einem historischen Lehrpfad, der zum nahegelegenen jüdischen Friedhof und den Spicherer Höhen führt. Welches die historische Verbindungslinie zwischen diesen Orten sein soll, wird nicht erklärt.
1999 beschloss die Landeshauptstadt Saarbrücken, die Fundamente der Baracken ausgraben zu lassen, um dadurch einen Rest des Lagers wieder sichtbar zu machen. Am 8. Mai 2004 wurde die Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm eröffnet.
1943/1944
Nutzung des Barackenlagers durch die im Saarbrücker Schloß residierende Gestapo-Leitstelle ab Anfang 1943. Durchschnittlich waren bis Ende 1944 600 bis 800 Gefangene inhaftiert. Die Namen von 82 ermordeten Häftlingen sind bezeugt.
1945
Abriß des Barackenlagers
1975
Überbauung des Terrains des Frauenlagers durch ein Hotel.
Seit Mitte der neunziger Jahre
Arbeit einer Initiative Saarbrücker Bürgerinnen und Bürger gegen das Vergessen. Dies mündet in einen Wettbeerb zur Neugestaltung der am 13. Januar 2000 ausgelobt wurde mit dem 1. Preis des Projektes