Im Detail
Bautzen ist wie kaum ein anderer Ort Symbol für politische Haft in der DDR. Hier gibt es zwei Gefängnisse: Bautzen I, das im Volksmund auch „Gelbes Elend“ genannt wird, und Bautzen II, das als „Stasi-Gefängnis“ berühmt wurde. In beiden Gefängnissen wurden während des NS-Regimes, der sowjetischen Besatzungszeit und der SED-Diktatur Menschen aus politischen Gründen unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert.
Bautzen I, das "Gelbe Elend":
Sächsische Landesstrafanstalt 1904-1933
Die Landesstrafanstalt Bautzen wurde 1904 nach den damaligen Maßstäben eines fortschrittlichen Strafvollzuges mit 1.100 Haftplätzen gebaut: große Säle für gemeinsames Arbeiten am Tag und Einzelzellen für die Nachtruhe, Höfe mit Grünanlagen, große Waschräume, Wasserklosett, Zentralheizung, Krankenabteilung und Küche mit eigenem Garten für den Gemüseanbau. Bautzen war Jugendstrafanstalt und Gefängnis für Ersttäter. Insbesondere für sie sollte der Strafvollzug nicht nur Strafe, sondern auch Hilfe sein.
Nationalsozialistisches Strafgefängnis 1933-1945
In der NS-Diktatur änderte sich die Auffassung von Strafe. Sie sollte für den Betroffenen hart und für die übrige Gesellschaft Abschreckung sein. Kriminalität wurde als Krankheit eines an sich gesunden Volkskörpers begriffen. Der Haftalltag war bestimmt durch militärischen Drill, karge Verpflegung und stumpfsinnige Arbeit. Hinzu kam der nationalsozialistische Rassismus. Für Wiederholungstäter, politische Gefangene, Juden, Sinti und Roma sowie allgemein „fremdländische“ Gefangene wurden immer mehr Sonderregelungen eingeführt. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslager überführt. Ende 1944 war das Gefängnis mit 1.600 Insassen um ein Drittel überbelegt. Weitere 700 Gefangene befanden sich in vier Außenlagern der Strafanstalt.
Prominentester Häftling in Bautzen I war 1943/44 der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), Ernst Thälmann. Er wurde im August 1944 von Bautzen in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert und dort ermordet.
Sowjetisches Speziallager 1945-1950
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges nutzte die sowjetische Geheimpolizei das "Gelbe Elend" als Speziallager. Anfangs diente es zur Internierung von Funktionären des NS-Regimes und Personen, die die Besatzungsmacht als gefährlich ansah. Ab 1946 wurde es aber zu einem Haftort der Unterdrückung politischer Gegner der Besatzungsmacht. Unter konstruierten Anschuldigungen wie "antisowjetischer Propaganda" oder "Spionage" wurden Oppositionelle verurteilt und auf Jahre vollkommen von der Außenwelt isoliert.
Strafvollzuganstalt der DDR 1950-1990
Anfang 1950 übergab die sowjetische Besatzungsmacht die Landesstrafanstalt wieder an die deutsche Verwaltung. Aber nicht die Justiz, sondern die Deutsche Volkspolizei wurde neuer Hausherr. Sie übernahm Bautzen I zusammen mit 6.000 politischen Gefangenen. Im März 1950 kam zu einem Haftaufstand, der brutal niedergeknüppelt wurde. Aus dem Gefängnis geschmuggelte Appelle gelangten in den Westen und prägen den seitdem geläufigen Begriff „Gelbes Elend“.
Überfüllung, schlechte Ausstattung, wenig Bildungsangebote und Gewalt der Gefangenen untereinander blieben trotz Überwindung der schlimmsten Notstände der 1950er Jahre für den Haftalltag im DDR-Strafvollzug bestimmend. Im Oktober 1989 befanden sich 2.100 Menschen in Bautzen I, das damit um 40% überbelegt war. Sein Ziel, die Gefangenen durch Arbeit in die sozialistische Gesellschaft wieder einzugliedern, konnte der Strafvollzug der DDR nicht einlösen. Es überwog die politisch gewollte Abschreckung durch harte Haftbedingungen und der letztlich menschenverachtende Umgang mit den Gefangenen. In Bautzen, wie in allen anderen Haftanstalten der DDR, gab es immer auch Menschen, die aus politischen Gründen inhaftiert wurden.
Justizvollzugsanstalt Bautzen, seit 1990
Mit Schaffung des Freistaates Sachsen im Juli 1990 wurde Bautzen I wieder dem sächsischen Justizministerium unterstellt. Die Justizvollzugsanstalt Bautzen ist heute zuständig für Untersuchungshaft und den Vollzug langer Freiheitsstrafen von männlichen Gefangenen.
Bautzen II, der "Stasi-Knast":
Bautzener Gerichtsgefängnis 1906-1933
Bautzen II wurde vom Sächsischen Justizministerium zusammen mit dem Amts- und Landgericht erbaut. Das Gefängnis verfügte über 203 Haftplätze in 134 Zellen. Sie dienten der Untersuchungshaft wie auch der Verbüßung kurzer Haftstrafen. Die Verurteilung zu einigen Tagen Haft im Gerichtsgefängnis war üblich. Das Bautzener Gerichtsgefängnis war modern ausgestattet, aber zu groß. Selten wurden alle Haftplätze gebraucht.
Gefängnis für Justiz- und Schutzhäftlinge 1933-1945
Das Gerichtsgefängnis war seit 1924 Teil der Landesstrafanstalt Bautzen und diente als Abteilung für die Untersuchungshaft. Oberflächlich änderte sich daran durch die NS-Diktatur nichts. Tatsächlich aber wurden in Bautzen II auch so genannte Schutzhäftlinge von der SA verhört. Es kam dabei zu Misshandlungen. Anschließend wurden die Schutzhäftlinge in das Konzentrationslager Hohnstein abgeschoben. Die Justiz unterstützte die außergerichtliche Verfolgung Andersdenkender.
Sowjetisches Untersuchungsgefängnis 1945-1949
Nach dem Kriegsende nutzte die sowjetische Geheimpolizei das leer stehende Gerichtsgefängnis für Verhöre. Die Einzelzellen waren überfüllt, die hygienischen Bedingungen miserabel. Wasser und Nahrung reichten kaum für die zahlreichen Verhafteten. Geständnisse zu den häufig konstruierten Anklagen erpresste das NKWD notfalls mit Folter. Im benachbarten Gerichtsgebäude tagte ein sowjetisches Militärtribunal. Die meisten Urteile wurden aus politischen Gründen gesprochen. Auf diese Weise unterstützte die sowjetische Besatzungsmacht den Aufbau einer kommunistischen Diktatur.
Justizvollzugsanstalt 1949-1951
Im September 1949 übergab der sowjetische Geheimdienst das Haus an die sächsische Justiz. Das Gerichtsgefängnis war nun Strafvollzugsanstalt der Justiz, da die Landesstrafanstalt nach wie vor als sowjetisches Speziallager diente. Außerdem nutzte die Justiz das ehemalige Militärgefängnis in der Paulistrasse als Vollzugsanstalt.
Außenstelle von Bautzen I 1951-1956
1951 übernahm das Innenministerium der DDR, das nun insgesamt für den Strafvollzug zuständig war, das Gefängnis. Als „Objekt II“ wurde das Gerichtsgefängnis wieder eine Außenstelle von Bautzen I.
Sonderhaftanstalt der Staatssicherheit 1956-1989
Im Jahr 1956 richtete das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) in Bautzen II eine Sonderhaftanstalt ein. Bautzen II wurde zu einem Hochsicherheitstrakt mit 200 Haftplätzen für Sondergefangene wie Regimekritiker, Gefangene aus Westdeutschland, Spione oder Kriminelle mit prominentem Sonderstatus ausgebaut. 1963 wurde das Haus von Bautzen I abgetrennt und als eigenständige Strafvollzugsanstalt geführt. Um der Tarnung willen blieb es nominell eine Einrichtung des Innenministeriums.
Im Dezember 1989 wurden alle politischen Gefangenen freigelassen.
Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Bautzen 1990-1992
Nach Entlassung der politischen Häftlinge war Bautzen II nahezu leer. Ab dem Juli 1990 wurde es wieder eine sächsische Justizvollzugsanstalt und Außenstelle von Bautzen I. Im Januar 1992 wurde die Anstalt endgültig geschlossen.
Geschichte der Gedenkstätte Bautzen
1992 wurde die Haftanstalt Bautzen II aufgrund ihrer besonderen Bedeutung als Ort politischer Haft geschlossen. Vor allem der Initiative und der Hartnäckigkeit ehemaliger Bautzen-Häftlinge, die 1990 das "Bautzen-Komitee" e. V. gegründet hatten, ist die Einrichtung der Gedenkstätte zu verdanken.
Am 12. Juli 1991 stellte die CDU-Fraktion des Sächsischen Landtages nach einem Besuch vor Ort im Landtag den Antrag auf „Einrichtung einer Gedenkstätte für die Opfer des Kommunismus und Sozialismus in der JVA Bautzen“. Die im Weiteren in der früheren MfS-Sonderhaftanstalt Bautzen II einzurichtende Gedenkstätte sollte „sowohl als Ort des Gedenkens als auch als Museum und Begegnungsstätte dienen“. Am 16. Juli 1993 ersuchte der Sächsische Landtag auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Staatsregierung, sich weiter für die Errichtung der „Gedenkstätte für die Opfer der kommunistischen und sozialistischen Diktatur und politischer Justiz in der ehemaligen Sonderhaftanstalt des MfS ‚Bautzen II‘" einzusetzen. Ihr Charakter und Zustand sollten dabei weitestgehend erhalten bleiben.
Nach ihrer Gründung im Februar 1994 übernahm die Stiftung Sächsische Gedenkstätten den weiteren Auf- und Ausbau der Gedenkstätte. Die in ihrem Auftrag erarbeitete Konzeption, die nunmehr ausdrücklich auch die Erinnerung an das Unrecht der NS-Diktatur und seine Opfer sowie die Dokumentation der Geschichte des Gefängnisses Bautzen I als Aufgabe formulierte, wurde im April 1997 von den Stiftungsgremien zur Umsetzung empfohlen. Die Gedenkstätte Bautzen hat den umfassenden und schwierigen Auftrag, die Geschichte von zwei sehr unterschiedlichen Haftanstalten in drei Verfolgungsperioden – der nationalsozialistischen Diktatur, der Zeit der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED-Diktatur – an einem historischen Ort aufzuarbeiten und zu dokumentieren.