Im Detail
Der Verein Gedenkstätte Amthordurchgang e. V. wurde im Herbst 1997 mit dem Ziel gegründet, die Aufarbeitung und Dokumentation von politischer Verfolgung und Widerstand unter den zwei deutschen Diktaturen in die öffentliche Diskussion zu bringen, Erinnerungen zu wahren und künftige Generationen für Machtstrukturen, Demokratieverständnis und Zivilcourage zu sensibilisieren. Die Gedenk- und Begegnungsstätte im Torhaus der politischen Haftanstalt von 1933 bis 1945 und 1945 bis 1989 versteht sich als ein Ort des Gedenkens, Besinnens und der Begegnung.
Geschichte des Hauses:
In den Jahren 1874 bis 1879 wurde das Landgericht Gera errichtet. Der Gefängnisbau findet erstmalig 1876 in der Geraer Stadtchronik Erwähnung, belegt durch die Beschwerde eines Geraer Bürgers. In späteren Dokumenten wird das Gebäude auch Landhaus und Gefangenenhaus genannt und unterstand dem fürstlichen Kreisgericht Gera des Fürstentums Reuß jüngere Linie.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918, dem Abtreten des Fürsten Heinrich Reuß XXVII. in Folge der Novemberrevolution und der Gründung des Freistaates Thüringen 1920 diente das Gebäude weiterhin als Untersuchungsgefängnis für das Landgericht und als Haftanstalt für das Amtsgericht.
Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers und der NSDAP diente das Landgerichtsgefängnis der NS-Justiz in erster Linie als Untersuchungshaftanstalt. Gerade in den ersten Monaten der Diktatur wurden hier politische Gegner, wie Mitglieder der Gewerkschaften, der SPD und der KPD inhaftiert und verhört. Auch andere von den Nationalsozialisten verfolgte Gruppen waren im Amthordurchgang inhaftiert. Viele der Gefangenen wurden danach in die Konzentrationslager verschleppt. Die Geheime Staatspolizei (Gestapo) besaß große Machtbefugnisse zur Verfolgung politischer Gegner.
Die Gefangenenzahlen im Landgerichtsgefängnis Amthordurchgang stiegen bis zum Januar 1934 von zuvor 50 auf 110. Zur Unterstützung bei den Wachtätigkeiten wurden weitere Hilfsaufseher, ausnahmslos Mitglieder der SA oder SS, eingestellt.
Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Thüringen im Juli 1945 übernahmen die sowjetische Militärpolizei und der sowjetische Geheimdienst (NKWD) das Gefängnis. Im Rahmen der umfassenden Entnazifizierungspolitik der Alliierten diente es als regionales Auffanggefängnis. Doch auch viele Personen, denen man antisowjetische Handlungen und geheimdienstliche Aktivitäten für die Westalliierten zur Last legte, wurden nach dem Befehl des Volkskommissars für Innere Angelegenheiten der UDSSR aus politischen Gründen inhaftiert, gefoltert, später in Speziallager gebracht oder zum Tode verurteilt. Dabei genügte bereits der kleinste Verdacht, etwa der nationalsozialistischen Untergrundbewegung „Werwolf" anzugehören. Meist mit Druck und Folter wurden Geständnisse erpresst.
Nach der Gründung der DDR am 7.Oktober 1949 entstand kurze Zeit später ihr Geheimdienst, das Ministerium für Staatssicherheit (MfS oder auch Stasi genannt). Durch eine Verwaltungsreform wurde die DDR in Bezirke eingeteilt. Jeder Bezirk hatte eine Bezirksverwaltung des MfS, das wiederum jeweils eine eigene Untersuchungshaftanstalt unterhielt, in denen Menschen ausschließlich wegen politischer Gründe inhaftiert wurden - in der Bezirkshauptstadt Gera das Gefängnis am Amthordurchgang.
In der Zeit von 1952 bis 1989 wurden alleine in der Untersuchungshaftanstalt Amthordurchgang über 2.800 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert.
Nach der friedlichen Revolution 1989 wurde die Stasi-Haftanstalt geschlossen. Nach einigen baulichen Veränderungen nutzte der Freistaat Thüringen das Gebäude von 1991 bis 1999 weiterhin als Untersuchungshaft und Gefängnis.
1997 gründete sich der Verein Gedenkstätte Amthordurchgang, um einen Beitrag zur Aufarbeitung und Dokumentation von politischer Verfolgung und Widerstand während der zwei deutschen Diktaturen zu leisten.
Als im Sommer 1999 bekannt wurde, dass die Haftanstalt abgerissen werden soll, kämpfte der Verein für die Errichtung einer Gedenk- und Begegnungsstätte am authentischen Ort. Trotz massiver Proteste konnte der Abriss der Haftanstalt nicht verhindert werden. Nur durch eine Besetzung konnte zumindest das Torhaus, der ehemalige Eingangsbereich, erhalten werden.
Eine finanzielle Förderung der Bundesrepublik Deutschland und des Freistaates Thüringen ermöglichte die Errichtung der Gedenk- und Begegnungsstätte.
Der Verein entwickelte gemeinsam mit dem Geraer Maler und Grafikdesigner Sven Schmidt eine inhaltliche und gestalterische Gebäudekonzeption. Bewegliche und unbewegliche Teile aus dem Zellentrakt wurden gesichert und mit künstlerischen Mitteln im Torhaus integriert.
Die Gedenk- und Begegnungsstätte im Torhaus der politischen Haftanstalt von 1933 bis 1945 und 1945 bis 1989 ist seit dem 18. November 2005 geöffnet.