Im Detail
Das Zuchthaus Brandenburg 1933 bis 1945
Zwischen 1933 und 1945 führte die NS-Justiz im Zuchthaus Brandenburg-Görden einen unmenschlichen Strafvollzug durch, der durch Hunger, gesundheitsschädliche Arbeitsbedingungen und eine Behandlung abgestuft nach rassistischen Kriterien gekennzeichnet war. Bis zu 60 Prozent der Inhaftierten waren politische Gefangene. Mit Kriegsbeginn kamen Verurteilte aus ganz Europa nach Brandenburg-Görden. Eine Absprache zwischen dem Reichsjustizminister Otto Thierack und Heinrich Himmler vom 18. September 1942 sah vor, dass alle Sicherungsverwahrten, Juden, Sinti und Roma, Russen und Ukrainer zur “Vernichtung durch Arbeit“ in Konzentrationslager zu überstellen waren. Hinzu kamen polnische Gefangene ab drei Jahren Strafe. Bei Deutschen und Tschechen ab acht Jahren Strafe überprüfte eine Kommission des Reichsjustizministeriums, ob sie in die KZ zu überstellen waren. Aus Brandenburg-Görden wurden im Zuge der Aktion mindestens 1.259 Männer in die KZ transportiert, wo die SS einen großen Teil von ihnen ermordete.
Hinrichtungsstätte
1940 wurde das Zuchthaus Brandenburg-Görden auch Hinrichtungsstätte. In einem bis dahin als Garage genutzten Bereich wurden ein Fallbeil und eine Vorrichtung zur Hinrichtung durch Erhängen installiert. Vom 1. August 1940 bis zum 20. April 1945 wurden im Zuchthaus Brandenburg-Görden 2030 Menschen hingerichtet. Die meisten Todesurteile verhängten Sondergerichte oder der "Volksgerichtshof" auf der Basis von Gesetzestexten, die einen weiten Interpretationsspielraum ließen.
So heißt es in den Justizakten zur Begründung des Todesurteils über den 72jährigen Hugo Härtig aus Berlin-Kaulsdorf, der 1944 in Brandenburg hingerichtet wurde:
"Der VU (Verurteilte), der von jeher marxistisch gesinnt war und sich 2 Jahre lang durch ständiges Hören von Feindsendern vergiftet hat, hat im 5. Kriegsjahr einen unterirdisch lebenden Kommunisten dreimal illegales Quartier verschafft und auch Flugblätter (...) weitergegeben."
Unter den Hinrichtungsopfern waren politische Häftlinge aus fast allen Ländern Europas. Neben vielen Deutschen starben in Brandenburg-Görden Tschechen, Slowaken, Polen, Österreicher, Belgier, Franzosen, Bürger aus den Staaten der ehemaligen UdSSR, Niederländer, Jugoslawen, Italiener, Norweger, Schweden, Luxemburger, Spanier, Ungarn und Briten. Unter ihnen waren fast alle sozialen und weltanschaulichen Gruppen vertreten: Kommunisten, Sozialdemokraten, Konservative, Liberale, Geistliche, Unternehmer, Intellektuelle, Studenten, Juristen, Arbeiter, Angestellte, Landwirte, Angehörige der Wehrmacht, Ärzte und Lehrer. Unter den Opfern befanden sich auch 16 Männer, die im Zusammenhang mit dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurden, sowie über 100 Bibelforscher (Zeugen Jehovas), die meistens wegen Verweigerung des Wehrdienstes mit dem Tode bestraft wurden. Das jüngste Opfer war der Franzose Henri Delst, der im Alter von 15 Jahren unter dem Fallbeil starb. Das älteste Opfer war der 72jährige Deutsche Georg Herzberg.
Zuchthaus Brandenburg nach 1945
1945 bis 1947 nutzten die sowjetischen Militärbehörden und der sowjetische Geheimdienst NKWD das Zuchthaus Brandenburg-Görden zur Internierung von Kollaborateuren (hauptsächlich Angehörige der Wlassow-Armee) und als Untersuchungsgefängnis des NKWD sowie des in Brandenburg tätigen sowjetischen Militärtribunals.
1949/50 nahm die Regierung der DDR die Einrichtung wieder für den Strafvollzug in Betrieb. Neben vielen kriminellen Häftlingen wurden hier auch NS-Täter und Kriegsverbrecher, aber auch zahlreiche Regimegegner, Teilnehmer des Aufstandes vom 17. Juni 1953, gescheiterte "Republikflüchtlinge", Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Ausreisewillige und Bürgerrechtler inhaftiert. Das Zuchthaus Brandenburg galt als eine der gefürchtetsten Haftanstalten in der DDR.
1990 wurde die Anlage durch das Justizministerium des Landes Brandenburg übernommen. In den nächsten Jahren soll die Justizvollzugsanstalt Brandenburg umfassend modernisiert und erweitert werden.
Mahnen und Gedenken
1964 wurde in den Räumen der ehemaligen NS-Hinrichtungsstätte eine Gedenkstätte eröffnet. Der Hinrichtungsraum wurde originalgetreu rekonstruiert. Bei der in der Gedenkstätte gezeigten Guillotine handelt es sich um ein originales Fallbeil aus der NS-Zeit. Das tatsächlich in Brandenburg verwendete Fallbeil befindet sich im Deutschen Historischen Museum in Berlin.
Am 1.1.1988 gründete das Ministerium für Kultur der DDR die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Brandenburg mit der Aufgabe, ein "Museum des antifaschistischen Widerstandskampfes" zu errichten, in dem der "Widerstand der Arbeiterklasse unter der Führung der KPD" dokumentiert werden sollte. Ausschlaggebend war dabei die Tatsache, dass der damalige Staats- und Parteichef der DDR, Erich Honecker, von 1936 bis 1945 als politischer Häftling hier einsaß. Honecker hatte als führender Funktionär des Kommunistischen Jugendverbandes nach 1933 die Untergrundtätigkeit seiner Organisation geleitet. 1935 verhaftet, war er vom "Volksgerichtshof" zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Zur geplanten Eröffnung des Museums zum 50. Jahrestag der Befreiung 1995 kam es durch die politische Wende in der DDR im November 1989 nicht mehr.
1992 löste die Landesregierung Brandenburg die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Brandenburg auf. Ihr folgte die Dokumentationsstelle Brandenburg, die 1993 Bestandteil der neu gegründeten Stiftung Brandenburgische Gedenkstätte wurde.
Heute werden die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg an der Havel und die Gedenkstätte im ehemaligen Zuchthaus Brandenburg-Görden gemeinsam unter dem Oberbegriff „Gedenkstätten Brandenburg an der Havel“ zusammengefasst.
1927
Beginn des Zuchthausbaus als Musteranstalt eines humanen Strafvollzuges
1935
Fertigstellung als größtes und modernstes Zuchthaus des NS-Staates
1940 - 45
Obwohl für nur 1800 Strafgefangene gebaut, Unterbringung von bis zu 4800 Häftlingen.
Hinrichtung von 1722 aus politischen Gründen zum Tode verurteilter Häftlinge aus vielen Ländern Europas
27. April 1945
Befreiung durch sowjetische Truppen
bis Ende 1947
Nutzung durch die sowjetischen Militärbehörden zur Internierung von Kollaborateuren
ab 1949/50
Übernahme der Einrichtung durch die Justizbehörden der DDR. Heute Justizvollzugsanstalt des Landes Brandenburg