Im Detail
Die Heilanstalt Lüneburg wurde 1901 als Einrichtung der Provinz Hannover eröffnet. Im Herbst 1941 wurde die sogenannte "Kinderfachabteilung" der Landes- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg eingerichtet, die bis Ende 1945 bestand. Die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen und normenabweichendem Verhalten stammten aus den Anstalten der Inneren Mission Rotenburg W., der Anstalt Johannistal/ Waldniel, aus Bremen, Bremerhaven, Hamburg oder aus anderen Orten aus Niedersachsen. In der "Kinderfachabteilung" sind nachweislich 425 Kinder und Jugendliche gestorben, davon sind vermutlich rund 300 bis 350 ermordet worden. Die Landesanstalt Lüneburg diente zudem als Durchgangsanstalt für die zentralen Tötungsanstalten. In einem ersten Transport, der im März 1941 stattfand, wurden 120 Männer in die Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein verlegt. Für den Monat April 1941 lassen sich drei weitere Transporte nach Herborn und von dort in die Tötungsanstalt Hadamar belegen. Insgesamt wurden 475 Männer und Frauen aus der Lüneburger Heil- und Pflegeanstalt in die "Aktion T4" verlegt. 1943 wurden rund 300 Patientinnen und Patienten im Rahmen der "dezentralen Euthanasie" nach Pfafferode verlegt. Viele von ihnen wurden mit Medikamenten ermordet. 1944 wurde in der Lüneburger Anstalt eine von insgesamt 11 "Ausländersammelstellen" eingerichtet. Das Einzugsgebiet umfasste neben Niedersachsen und Bremen auch Schleswig-Holstein und Hamburg. Über 100 Patientinnen und Patienten ausländischer Herkunft starben infolge von Mangel- und Unterversorgung, rund 100 wurden an einen noch unbekannten Ort verlegt, an dem sie mit hoher Wahrscheinlichkeit ermordet wurden. Von 1944 bis 1947 wurde die Maschinenhalle der Anstalt als Lazarett genutzt. Nach 1948 bis 1949 wurden die Todesfälle der "Kinderfachabteilung" Lüneburg sowie die Beteiligung an der "Aktion T4" staatanwaltlich verfolgt. Im Rahmen eines zweiten Ermittlungsverfahrens zwischen 1962 und 1966 wurde Tatbestand der "Euthanasie"-Tötungen festgestellt. Dennoch wurden die drei Ermittlungsverfahren gegen zwei Ärzte und eine Pflegekraft eingestellt. Es kam nie zu einem Gerichtsverfahren und demzufolge auch zu keiner Verurteilung.
1998 gab es erste Überlegungen für eine Gedenkstätte auf dem Gelände des damaligen Landeskrankenhauses Lüneburg. Die Planung einer Gedenkstätte wurde von der Klinikleitung befürwortet und von einer Arbeitsgruppe vorbereitet. Als Trägervereine für die Gedenkstätte traten der Psychosoziale Verein Lüneburg e. V. und die Geschichtswerkstatt Lüneburg e. V. auf. Am 25. November 2004 wurde die Einrichtung als Bildungs- und Gedenkstätte "Opfer der NS-Psychiatrie" eröffnet. 2007 wurde die Psychiatrie kommunalisiert. Die Gedenkstätte wurde seither von der Psychiatrischen Klinik Lüneburg geduldet. 2013 wurde auf dem ehemaligen Anstaltsfriedhof, dem heutigen Friedhof Nordwest eine Gedenkanlage eingeweiht. Hierbei wurden Gehirnpräparate ermordeter Kinder und Jugendlicher beigesetzt. Seit 2014 bietet die Gedenkstätte mit dem Titel "Die Würde des Menschen ist (an-)tastbar" ein inklusives Bildungsprogramm an. Im Zusammenhang mit der Neugestaltung der Gedenkstätte wurde 2015 ein neuer Trägerverein gegründet der "Euthanasie"-Gedenkstätte Lüneburg e.V.. 2020 wurde in einem alten Gärtnerhaus ein Bildungszentrum eingeweiht, in dem die verschiedenen Bildungsangebote der Gedenkstätte durchgeführt werden. Bis 2023 wird in einem ehemaligen Badehaus am Wasserturm der Klinik ein Dokumentationszentrum mit einer neuen Dauerausstellung errichtet. Fünf Sonderausstellungen der Gedenkstätte sind entleihbar: "Erinnerungsräume" (2020), "Still, stumpft, beschäftigt mit Kartoffelschälen, verlegt - Frauen als Opfer der T4" (2018/2019), "Zwangssterilisation in Lüneburg und Umgebung" (2017), "Den Opfern ein Gesicht, den Namen wiedergeben" (2013/2014) und "Künstler in der NS-Psychiatrie" (2013).
1901
Eröffnung der Provinzial- Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg.
Oktober 1941 bis Ende 1945
Einrichtung der „Kinderfachabteilung”, in der rund 300 bis 350 Kinder und Jugendliche aus Nord- und Mitteldeutschland mit Medikamenten ermordet wurden.
März/ April 1941
Verlegung von insgesamt 475 Frauen und Männern in vier Transporten. Ein Transport ging in die „Euthanasie“-Anstalt Pirna-Sonnenstein und drei Transporte gingen nach Herborn und von dort in die „Euthanasie”-Anstalt Hadamar.
1943
Verlegung von rund 300 Patientinnen und Patienten in die „dezentrale Euthanasie“ nach Pfafferode.
1944
Sammelstelle für hunderte Patientinnen und Patienten ausländischer Herkunft
1944 bis 1947
Nutzung der Maschinenhalle der Anstalt als Lazarett.
1998 bis 2001
Erarbeitung der Konzeption für die Bildungs- und Gedenkstätte durch die “Arbeitsgruppe Geschichte”.
2004
Eröffnung der Bildungs- und Gedenkstätte „Opfer der NS-Psychiatrie“ Lüneburg im ehemaligen Badehaus am Wasserturm.
2005
Der Objektkünstler Gunter Demnig aus Köln setzt vor der Bildungs- und Gedenkstätte zwei „Stolpersteine“ für Opfer der NS-Psychiatrie.
2009 und 2019
Es werden weitere Stolpersteine im Stadtgebiet Lüneburg sowie vor der Gedenkstätte verlegt.
2013
Auf dem Friedhof Nordwest werden Gehirnpräparate von Opfern der Lüneburger „Kinderfachabteilung“ beigesetzt und Gedenkanklage eingeweiht.
2015
Im November gründet sich der Trägerverein „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg
2020
Im alten Gärtnerhaus wird ein Bildungszentrum eingeweiht.