Im Detail
Eine im Innenhof des damaligen Strafgefängnisses Wolfenbüttel gelegene Schlosserei wurde im Herbst 1937 zu einer Hinrichtungsstätte umgebaut. Hier wurden mit dem Fallbeil und seit 1941 mit dem Strang Todesurteile der deutschen zivilen und militärischen Gerichtsbarkeit vollstreckt. In der Zeit vom 12. Oktober 1937 bis zum 15. März 1945 wurden dort mehr als 600 Frauen und Männer, Ausländer und Deutsche, hingerichtet. Neben einigen wenigen wegen Kapitalverbrechen Verurteilten wurden zahlreiche deutsche Zivilisten wegen „Plünderns“, „Feindsenderhörens“ oder „Schwarzschlachtens“ abgeurteilt und wie deutsche Wehrmachtsangehörige wegen angeblicher „Feigheit vorm Feinde“, „Fahnenflucht“ oder „Selbstverstümmelung“ exekutiert. Eine weitere große Gruppe bildeten die ausländischen Zwangsarbeiter sowie Straf- und Kriegsgefangene aus den von der deutschen Wehrmacht besetzten Ländern, die zumeist wegen Bagatelldelikten zum Tode verurteilt worden waren.
Nach der Befreiung im April 1945 ließen die britischen Militärbehörden zwischen Juni 1945 und Juli 1947 gegen Deutsche wegen Kriegsverbrechen und gegen deutsche Zivilisten und ehemalige ausländische Zwangsarbeiter wegen Verstößen gegen Anordnungen der Alliierten Militärregierung 67 Todesurteile vollstrecken. Die im Innenhof der heutigen Justizvollzugsanstalt (JVA) Wolfenbüttel gelegene Hinrichtungsstätte blieb bis Anfang der 60er Jahre unberührt und vollständig erhalten. Sie wurde in eine „gefängniseigene Entlausungsanstalt“ umgewandelt. Einen geplanten Abriss des Gebäudes in den 80er Jahren verhinderte nur der massive Protest aus dem In- und Ausland. Statt dessen wurde im April 1990 im Auftrage des Niedersächsischen Justizministeriums in einigen Räumen der ehemaligen Hinrichtungsstätte eine Gedenk- und Dokumentationsstätte für die Opfer der NS-Justiz eingerichtet. Nach der Angliederung der Gedenkstätte an die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung zum 1. Oktober 1993 wurde eine Dauerausstellung in ehemaligen Hafträumen der JVA Wolfenbüttel erarbeitet und am 22. November 1999 eröffnet. Die neue Ausstellung „Justiz im Nationalsozialismus – Verbrechen im Namen des deutschen Volkes“ dokumentiert die Entwicklung der deutschen Justiz in den Jahren 1933 bis 1945 anhand von Informationstafeln und biographischen Ordnern. Sie nennt die Namen von Tätern und Opfern, sie präsentiert Biografien des aktiven Mitwirkens an staatlichen Verbrechen ebenso wie Schicksale von Frauen und Männern als Objekte staatlicher Gewalt. Jährlich besuchen etwa 180 Gruppen aus dem In- und Ausland die Gedenkstätte und die neue Dauerausstellung. Die Arbeitsschwerpunkte der Gedenkstätte liegen zum einen in der Erforschung und Dokumentation der hier hingerichteten Opfer der NS-Justiz und zum anderen in der Fortsetzung biographischer Studien zur Geschichte von Opfern und Tätern allgemein, die als biographische Ordner kontinuierlich in die Dauerausstellung eingearbeitet werden. Im Bereich der Vermittlung liegen die Schwerpunkte in der Betreuung von Besuchergruppen mit einem differenzierten Informationsangebot in deutscher, englischer und französischer Sprache sowie in der Erarbeitung von didaktischen Materialien, der Mitarbeit an projektbezogenen Unterrichtseinheiten und schließlich auch an Fortbildungsveranstaltungen zur NS-Justiz in Zusammenarbeit mit dem Niedersächsischen Justizministerium.
Die Gedenkstätte wurde im November 2004 der neu errichteten „Stiftung niedersächsische Gedenkstätten“ unterstellt. Im Jahr 2014 wird mit der Neugestaltung der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel begonnen.
1937-1945
Hinrichtung von über 600 Menschen als Opfer der NS-Justiz im Strafgefängnis Wolfenbüttel
1945-1947
Vollstreckung von 67 Todesurteilen durch die englische Militärregierung
Mitte der 80er Jahre
Vom niedersächsischen Justizministerium geplanter Abriß der ehemaligen Richtstätte wird nach internationalen Protesten ehemaliger politischer Gefangener, unterstützt von gewerkschaftlich organisierten Richtern, aufgegeben
24. April 1990
Eröffnung einer Dokumentations- und Gedenkstätte für die Opfer der NS-Justiz in den Räumen der ehemaligen Richtstätte im Auftrag des niedersächsischen Justizministeriums
1. Oktober 1993
Übernahme der Gedenkstätte durch die Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung
22.11.1999
Eröffnung der neuen Dauerausstellung "Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus" in ehemaligen Gemeinschaftsräumen der JVA Wolfenbüttel
Wolfenbüttel, 1989, Gebäude der ehemaligen Richtstätte im Innenhof der Justizvollzugsanstalt Wolfenbüttel, JVA Wolfenbüttel.
Wolfenbüttel, 1991, Ehemaliger Hinrichtungsraum, JVA Wolfenbüttel.
Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel (2014)
Auszubildende der MAN Truck & Bus AG, Werk Salzgitter beim Workshop zum Thema "Respekt und Toleranz" zu Besuch in der Gedenkstätte.