Im Detail
Alte Synagoge – Mikwe Jordanbad Eppingen
Die Alte Synagoge in Eppingen wurde 1731 über der Mikwe Jordanbad erbaut, die bereits im frühen 16. Jahrhundert entstanden war. Das rituelle Tauchbad, gespeist aus der nahe gelegenen Elsenz, ist eines der am besten erhaltenen in Baden-Württemberg. Auch heute noch weisen die symbolisch angedeutete Thorarolle über dem Eingang und ein farbiger Hochzeitsstein an der Außenfassade des Gebäudes auf seine einstige Nutzung als Synagoge hin. 1873 wurde die neue Synagoge in der Kaiserstraße gebaut. Die Eppinger Alte Synagoge wechselte in den darauf folgenden Jahren mehrfach die Besitzer, die das Jordanbad zuschütteten und als Vorratskeller nutzten. Die Mikwe geriet in Vergessenheit. Erst 1976 wurde sie durch einen Zufall wiederentdeckt. Nach den notwendigen Renovierungsarbeiten konnte 1985 eine Gedenkstätte im Jordanbad eingerichtet werden.
Hintergründe
Michael Heitz
Im Kraichgau sind bis zum Beginn des 13. Jahrhunderts keine jüdischen Gemeinden nachweisbar. Die jüdische Gemeinde Eppingen wird erstmals in
Zusammenhang mit den Pogromen der Jahre 1348/49 im Memorbuch „Die
Marterstätten des schwarzen Todes“ erwähnt. Standen vor den Pogromen nur einzelne Personen und Gemeinden unter kurpfälzischem Schutz, findet sich nach 1350 zum ersten Mal eine Genossenschaft von jüdischen Gemeinden in der Kurpfalz. Hierzu gehörten Heidelberg, Weinheim, Lindenfels, Eberbach, Mosbach, Sinsheim, Wiesloch und Eppingen. Nach der Vertreibung der Juden aus der Kurpfalz im Jahre 1390 sind einzelne Juden nur noch in den Reichspfandschaften Gau-Odernheim, Oppenheim, Ingelheim und Eppingen nachweisbar.
Im 18. Jahrhundert stieg die Zahl der dauerhaft in Eppingen lebenden Juden.
Nachdem 1744 zwölf jüdische Familien genannt werden, sind es 1765 bereits
sechzehn. Mit 187 Mitgliedern war die jüdische Gemeinde Eppingen
1825 am größten; um 1900 lebten dann noch 124 Juden in der Stadt. Nach der
Machtübernahme der Nationalsozialisten verließ der Großteil der Eppinger
Juden die Stadt. Die letzten vier Verbliebenen, Liesel und Julius Sternweiler sowie Berta und Simon Siegel, wurden mit den anderen badisch-pfälzischen Juden am 22. Oktober 1940 in das südwestfranzösische Lager Gurs deportiert,
wo sie kurze Zeit später starben.
Die „Alte Synagoge“
Die Frage, seit wann sich in Eppingen Juden zum Gottesdienst in einer Synagoge trafen, ist schwer zu beantworten. Vielleicht gab es bereits im 14. Jahrhundert eine Synagoge im Ort. Ob es sich dabei allerdings um eine Synagoge im eigentlichen Sinn oder nur um eine einfache Betstube gehandelt hat, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Die Tatsache, dass es in der Kurpfalz bis zur Vertreibung der jüdischen Bevölkerung in der Regel höchstens zwei Familien erlaubt war, sich an einem Ort niederzulassen, spricht jedoch gegen das Vorhandensein eines eigenständigen Synagogengebäudes in Eppingen. Es liegt nahe, dass sich die Eppinger Juden bis zum Anwachsen ihrer jüdischen Gemeinde im 18. Jahrhundert in jüdischen Wohnhäusern getroffen haben.
Der erste Beleg für das Vorhandensein eines jüdischen Gottesdienstraumes
fällt in das Jahr 1749. Bei einer Störung des Gottesdienstes wurde ein „Prügel durch die Fenster der Judenschule geworfen“. Mit dem Begriff „Judenschule“ war jedoch nicht nur ein Ort des Lernens gemeint, sondern durchaus auch ein Ort des Gebetes und des Gottesdienstes. Verschiedene Autoren lokalisieren irrtümlicherweise die Judenschule im Gebäude der „Alten Universität“. In diesem für Eppingen historisch wichtigen Gebäude waren in den Jahren 1564/65
Teile der Heidelberger Universität ausgelagert, als in der kurpfälzischen
Residenzstadt die Pest ausgebrochen war. Der richtige Ort des Gottesdienstraumes ist jedoch in der Metzgergasse. Dieser war im 18. Jahrhundert im Besitz des Eppinger Juden Löw Mayer. Allerdings war in der „Alten Universität“ in der Mitte des 19. Jahrhunderts für mehrere Jahre eine Schule für die jüdischen Kinder der Stadt untergebracht.
Seit 1772, eventuell schon seit 1732, fanden die Gottesdienste
dann in der Küfergasse Haus Nr. 2 statt. Im Jahre 1731 wurde die heute im Kellergeschoss befindliche Mikwe (rituelles Tauchbad) mit einem Haus überbaut und bis zur Errichtung des neuen Gottesdiensthauses im Rot in den Jahren
1872/73 als Synagoge von den Eppinger Juden genutzt. Die symbolisch angedeutete Thorarolle über dem Hauseingang ist heute noch sichtbar und ein Beleg dafür, dass das Gebäude von vornherein als Synagoge geplant war.
Zwei weitere Kennzeichen am Haus weisen ebenfalls darauf hin, dass das
Gebäude früher für jüdische Gottesdienste benutzt wurde. Zum einen ist am
rechten sandsteinernen Türpfosten ein Mesusaschlitz sichtbar, eine Einkerbung,
an der früher die Mesusa angebracht war, eines der „Zeichen“ der Erinnerung
an die Gebote Gottes und den besonderen Bund zwischen Gott und seinem Volk. Zum anderen befindet sich in der Außenfassade ein rechteckiger, 110 x 74 cm großer Knaß- oder Hochzeitsstein. Es gehört zur festen Tradition einer jüdischen Trauung, dass am Ende der Hochzeitszeremonie ein Glas zerbrochen wird. Während sich das Brautpaar noch unter dem Baldachin (hebräisch: Chuppah) befindet, ertönt der Klang von zerbrechendem Glas, der symbolisch an die Freude des Tages als auch an die Situation in der Verbannung und der Diaspora erinnern soll, denn solange die Verbannung anhält und man das jüdische Volk unterdrückt, wird auch alle Freude gebrochen und unvollständig sein.
Das ehemalige Synagogengebäude besteht aus einer Sockelzone, einem steinernen Erdgeschoss und einer einfachen Fachwerküberbauung. Im steinernen Erdgeschoss befand sich eine Wohnung, der eigentliche Gottesdienstraum lag ein Stockwerk darüber. Heute sind in der Fachwerküberbauung zwei Wohnungen untergebracht. Aufgrund der besonderen Konstruktion ist jedoch davon auszugehen, dass sich ursprünglich innerhalb der Überbauung nur ein einzelner großer Raum befand, in dem nach den jüdischen Vorschriften die Männer unten und die Frauen bei besonderen Anlässen oben getrennt auf einer Empore saßen. Obwohl die israelitische Gemeinde in Eppingen 1873 das neue Gottesdiensthaus im Rot bezogen hatte, beschloss sie erst im Jahre 1885, sich von dem Gebäude zu trennen. Es war zunächst im Besitz der jüdischen Familie Seligmann Ettlinger, die es dann zehn Jahre später an die nichtjüdische Familie Baumann verkaufte.
Das Jordanbad
Im Kellergeschoss der „Alten Synagoge“ befindet sich eine Mikwe, die in Eppingen „Jordanbad“ genannt wurde. Vermutlich wurde die Mikwe schon im
16. Jahrhundert gebaut, eventuell sogar schon ein Jahrhundert früher. Sie gehört zu einer der am besten erhaltenen deutschen Mikwot und ist sicherlich,
nicht zuletzt wegen ihres guten Zustandes, eine der eindrucksvollsten ihrer
Zeit in Baden-Württemberg. Die Eppinger Mikwe wird mit Grundwasser der
nahe gelegenen Elsenz gespeist. Daher handelt es sich hier strenggenommen
gar nicht um eine Mikwe, sondern um eine „ma’jan“ (natürliche Quelle, Bach). Die ortsübliche Beschreibung der Eppinger Mikwe als „Jordanbad“ ist somit sehr treffend, da es sich tatsächlich um fließendes Wasser handelt und das symbolische Bild des Jordans als langsam fließenden Fluss aufgreift.
Nach dem Verkauf der „Alten Synagoge“ gegen Ende des 19. Jahrhunderts
schüttete der neue Besitzer Josef Baumann das Jordanbad zu und benutzte es als Vorratskeller. Erst im Jahre 1976 wurde es, nach Abschluss von Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen am Gebäude, durch Zufall wiederentdeckt. Edmund Kiehnle beschreibt die Mikwe nach den Freilegungsarbeiten wie folgt: „Im nahezu quadratischen Raum der Mikwe liegt der L-förmige Badeschacht an den Nordwestrand geschoben. Von Osten her führen sieben schmale, steile Steinstufen zu einem Viertelpodest, von dem acht weitere Stufen rechtwinklig nach Süden in den sich langsam verbreiternden
Schacht führen, wo von einem Halbpodest die Treppe wieder nach Norden umkehrt und mit der dritten Steigung nach unten den Wasserspiegel erreicht. Am nördlichen Ende des Schachtstumpfes ist ein Holztrog eingetieft. An der Ostwand des Schachtes, aus rechteckigen, grob gehauenen Sandsteinquadern, sitzt etwa 50 cm unter dem Wasserspiegel eine schmale Nische zum Abstellen von Kerzen- und Fackelbeleuchtung. Der Wasserstand liegt normal 4,16 m unter der Eingangsschwelle zur Küfergasse. Oben ermöglicht eine quer
über dem Badeschacht liegende alte Sandsteinplatte den Zugang durch eine schmale Türöffnung mit barockem Gewände zu dem bereits erwähnten Zwischenflur. Ein kleines Fenster in der Südwand lässt Tageslicht und Sonnenschein in die Mikwe fluten.“
Die wichtigsten Renovierungsarbeiten waren im Sommer 1985 abgeschlossen,
so dass rechtzeitig zum 1000-jährigen Jubiläum der Stadt Eppingen im Jordanbad ein städtisches Zweigmuseum eröffnet werden konnte. Seither
wird das Museum regelmäßig von Besuchern aus dem In- und Ausland besucht.
In den kommenden Jahren plant die Stadt Eppingen in Zusammenarbeit mit anderen Trägern aus dem Kraichgau ein Dokumentationszentrum und einen Lernort über das jüdische Leben im Kraichgau.
Dipl.-Päd. Michael Heitz, geboren 1965, hat an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg sowie an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg studiert und unterrichtet an der Albert-Schweitzer-Schule Sinsheim (Berufliche Schule).